Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
rieselte ihr ein verwirrender Schauer über den Rücken. Was war an diesem Mann, dass sie sich unter seinem Blick befangen und auf eine ungewohnt scheue Weise weiblich fühlte? Sie hatte ihn doch gerade erst kennengelernt!
Vielleicht lag es an seinen tiefgründigen dunklen Augen und dem beeindruckenden männlichen Körper? Ihre Alarmglocken klingelten, wenn sie ihn nur ansah, und sie wusste, dass es klüger war, so viel Abstand wie möglich zu ihm zu halten. Und zwar schon bald!
Sie öffnete den Mund, um dankend abzulehnen, aber so weit kam sie nicht. Mit einem selbstsicheren Lächeln fügte er hinzu: „Eigentlich können Sie nicht Nein sagen. Mamá würde es nicht zulassen. Sagen wir, ihr Wort ist Gesetz.“ Er wandte sich zum Gehen. „Der Krankenwagen fährt gleich ab, ich muss gehen.“
Doch dann hielt er inne und sah Annie intensiv an. „Ich hoffe sehr, dass Sie kommen werden“, sagte er leise. Gleich darauf hatte er mit langen Schritten das Zimmer verlassen.
Annie war noch immer leicht benommen von den beunruhigenden Gefühlen, die er in ihr auslöste, da spürte sie, wie jemand ihren Arm umfasste und daran zog. Es war klar, was Mamá Castillo wollte. Und als dann auch noch María ihre schmale Hand in Annies schob, wusste sie, dass sie mit der Familie Castillo essen würde, ob sie nun wollte oder nicht.
Allerdings hatte sie heute nichts Besonderes vor, und wenn sie ehrlich war, so hatte sie genug vom Alleinsein. War es nicht einer ihrer guten Vorsätze zum neuen Jahr gewesen, sich wieder ins Leben zu wagen und das Beste daraus zu machen?
Über den wahren Grund, warum sie mitgehen wollte, mochte sie nicht zu lange nachdenken. Die Aussicht, Rafael zu sehen, lockte sie mit unwiderstehlicher Kraft. Und warum auch nicht? Bald würde sie sowieso wieder abreisen und niemanden von hier jemals wiedersehen. Wozu also vernünftig sein? Sie hatte doch nichts zu verlieren.
„Gut, dann komme ich gern“, sagte sie.
Und als María für sie übersetzte, glitt ein zufriedenes Lächeln über die verwitterten Züge von Señora Castillo.
Annie hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie sie zum Haus der Castillos kommen würden. Daher konnte sie ihre Überraschung kaum verbergen, als Mamá Castillo ihren faltenreichen Rock hob, ein kleines Moped bestieg und Annie bedeutete, sich hinter sie zu setzen.
Annie blickte zu María hinüber.
Das Mädchen nickte. „Sie sagt, sie nimmt Sie mit. Ich laufe. Es ist nicht weit.“ María deutete auf eine enge Gasse, an deren Ende mehrere weiß getünchte Häuser im Sonnenlicht schimmerten. „Da oben.“
„Kann ich nicht mit dir gehen?“
„Nein, Sie fahren mit Großmutter. Sie sagt, es ist zu weit und zu heiß in der Sonne für Sie.“
Widerspruch schien bei Mamá Castillo zwecklos. Ihr Gesicht verriet, dass sie erwartete, dass sie endlich aufstieg. Annie fügte sich widerstrebend.
Als sie den Hügel hinaufknatterten, stoben Hühner und Ziegen in alle Richtungen davon. Mehr als einmal kniff Annie erschrocken die Augen zusammen. Die Fahrt dauerte keine zehn Minuten, und Mamá Castillo drosselte nicht ein einziges Mal die Geschwindigkeit.
Endlich hielten sie vor einer beeindruckenden Finca, und Annie glitt erleichtert vom Moped. Es hatte Momente gegeben, da war sie nicht sicher gewesen, ob sie die wilde Fahrt überleben würde!
Kaum hatte sie wieder sicheren Boden unter den Füßen, war sie von Männern und Frauen umringt und hatte das Gefühl, als hätte sich das halbe Dorf versammelt, um sie zu begrüßen. Zwei junge Männer besaßen eine verblüffende Ähnlichkeit mit Rafael, und auch in den Gesichtern von mindestens einem halben Dutzend Frauen glaubte sie seine Züge wiederzuerkennen. Unzählige Kinder tobten lachend und kreischend über den Hof.
Überwältigt von dem Lärm und verlegen durch die plötzliche Aufmerksamkeit so vieler Menschen trat Annie einen Schritt zurück. Warum hatte sie nur zugestimmt, hierherzukommen?
Da löste sich eine wunderschöne Frau mit üppigem dunklen Haar und haselnussbraunen Augen aus der Menge und kam auf sie zu. „Willkommen bei uns zu Hause“, sagte sie freundlich und streckte ihr die Hand entgegen. „Mamá hat mir erzählt, dass Sie Sofía bei der Geburt ihres Babys geholfen haben. Sofía ist meine Cousine, wir stehen also tief in Ihrer Schuld.“
Die schwarzhaarige Schönheit musste Rafaels Schwester sein. Sie hatte die gleichen ausgeprägten Wangenknochen und den sinnlichen Mund.
„Nein, nein“, beeilte Annie sich zu
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