Julia Ärzte zum Verlieben Band 45
woher. Hast du dich bei deinen Patienten noch nie auf deinen Instinkt verlassen?“
„Wenn du damit klinisches Urteilsvermögen meinst, dann ja, natürlich. Aber …“
„Moment mal“, unterbrach sie ihn, als ihr etwas einfiel. „Das kleine Mädchen …“
„Welches Mädchen?“
„Das draußen in der Notaufnahme. Die Mutter sagte, vom Heuschnupfen sei sein Asthma schlimmer geworden. Aber sein Gesicht war aufgedunsen und die Lider geschwollen. Ich weiß noch, wie ich dachte, seltsam, nach einer Allergie sieht mir das nicht aus …“
„Die Kleine ist nicht deine Patientin, Tasha.“
„Sie hat beim Atmen gekeucht.“
„Was bei Asthma vorkommt.“
„Und bei einer Linksherzinsuffizienz. Ich wusste, dass mich irgendetwas gestört hat!“ Tasha griff zum Telefon und hielt es ihrem Bruder hin. „Ruf die verantwortliche Kollegin an, Josh. Sie soll das abklären, mit EKG und Sono. Vielleicht hat sie es längst getan, aber wenn nicht? Meiner Ansicht nach hat das Kind eine Herzschwäche.“
„Tasha …“
„Tu’s einfach, Josh, bitte. Wenn ich mich irre, gebe ich auf und suche mir einen Job im Supermarkt.“
Seufzend wählte Josh.
Während er sprach, starrte Tasha aus dem Fenster und wünschte, sie würde nicht immer so emotional reagieren. Warum konnte sie nicht wie die anderen professionelle Distanz wahren und einfach ihrer Arbeit nachgehen?
„Sie macht die Untersuchungen, aber sie meint, dass es Asthma in Kombination mit einer allergischen Reaktion ist. Wir werden sehen. So, und du entspannst dich jetzt mal“, fügte er sanfter hinzu. „Tasha, du bist völlig überdreht.“
„Mir geht’s gut.“ Was gelogen war. Sie sehnte sich so sehr nach einer tröstlichen Umarmung. „Das Problem ist nur, dass ich nichts zu tun habe. Ich dachte …“ Sie zögerte. Es fiel ihr nicht leicht, ihren großen Bruder um etwas zu bitten. „Du hast Einfluss hier. Kannst du mir nicht einen Job besorgen?“
„Tasha …“
„Die Arbeit ist mein Leben, Josh. Ich bin eine gute Kinderärztin, wirklich.“
„Das will ich auch nicht infrage stellen, aber …“
„Doch, das tust du. Du hast Angst, dass ich dich blamiere.“
„Unsinn.“ Josh stand auf und trat zu ihr. „Beruhige dich, ja? Vielleicht brauchst du eine Weile Abstand vom Krankenhausalltag.“
„Nein, ich brauche einen Job. Ich liebe es, mit Kindern zu arbeiten. Ich liebe es, als Ärztin zu arbeiten. Außerdem ist da noch die praktische Seite. Da ich auf dem Krankenhausgelände gewohnt habe, bin ich nicht nur arbeits-, sondern auch obdachlos. In der Situation erschien mir die Kündigung das einzig Richtige zu sein. Im Nachhinein weiß ich, warum die meisten Leute lieber ihre Prinzipien aufgeben, als den Job hinzuwerfen. Es ist einfach zu teuer.“
„Ich kann dir hier keinen neuen beschaffen, Tasha. Wir sind knapp bei Kasse, es herrscht Einstellungsstopp.“
„Ach so.“ Ihr zog sich der Magen zusammen. Wieder eine Tür, die direkt vor ihrer Nase ins Schloss knallte. „Kein Problem“, versuchte sie, sich Mut zu machen. „Ich lasse mir etwas einfallen.“ Spontan fiel ihr leider nur ein, dass ihr letzter Chef ihr ganz bestimmt keine guten Referenzen geben würde. „Entschuldige, ich hätte dich nicht fragen sollen. Ich hätte nicht herkommen sollen.“
Die Liste der Dinge, die sie nicht hätte tun sollen, wurde länger und länger.
„Doch, ich bin froh darüber. Wir haben uns lange nicht gesehen, du hast die letzten drei Jahre wie eine Besessene gearbeitet. Seit das mit Hugo vorbei ist, meine ich.“
Hugo ? Tasha schrumpfte innerlich um zehn Zentimeter. Musste ihr Bruder ausgerechnet Hugo erwähnen, die große Katastrophe ihres Liebeslebens? „Ich liebe meine Arbeit.“ Warum sieht er mich so komisch an? „Hast du was dagegen?“, fragte sie kratzbürstig.
„Komm wieder runter, Tasha. Vielleicht solltest du dir wirklich eine Pause gönnen. Das gesellschaftliche Leben wiederentdecken.“
„Was ist das?“
„Teil eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Beruf und Privatleben. Du wolltest mal heiraten.“
Erinnere mich bloß nicht daran! „Das war ein kurzer Anfall geistiger Umnachtung.“ Tasha lachte auf, aber es hörte sich nicht echt an. „Macht es dir etwas aus, wenn wir das Thema fallen lassen? Wenn ich nur an Hugo denke, möchte ich etwas zerschlagen, und im Moment kann ich den Schaden nicht bezahlen. Und überhaupt, du hast gut reden. Du bist ein Workaholic, wie er im Buche steht.“ Aber er hat die letzte Nacht mit
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