Julia Ärzte zum Verlieben Band 45
meinen, Arm in Arm mit mir aufzuwachen?“ Er bemerkte, wie sich eine zarte Röte auf ihre Wangen legte. Auch das stand ihr vorzüglich.
„Na ja … das ist sonst überhaupt nicht meine Art. Vor anderen Leuten in Tränen auszubrechen, meine ich.“ Sie legte den Kopf schief und dachte kurz nach. „Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht daran erinnern, überhaupt schon einmal so heftig geweint zu haben. Nicht einmal als kleines Mädchen.“
„Der Seele tut es auf Dauer nicht gut, wenn man seine Gefühle unterdrückt.“
„Jetzt klingen Sie wie Meeree.“
„Oder wie meine Mutter.“ Seine Worte kamen leise, fast unhörbar, und seine Stimme klang geradezu ehrfürchtig. Im selben Moment wurde Emmy klar, dass es hier um einen wunden Punkt ging.
„Wissen Sie, was meine Mutter immer gesagt hat?“, fragte sie und redete weiter, ohne seine Antwort abzuwarten. „Sie sagte: Es ist nicht unsere Aufgabe, sich mit den Problemen anderer Leute zu befassen. Dafür gibt es Profis. Egal, was dir jemand anvertrauen will, bleibe stets höflich, aber unverbindlich.“
Emmy sah Dart prüfend an. Sie spürte sein Unbehagen angesichts der Situation und wusste, dass sie ihm gegenüber nicht höflich und unverbindlich bleiben konnte.
„Sie müssen ein sehr enges und liebevolles Verhältnis zu Ihren Eltern gehabt haben. Das ist etwas sehr Kostbares.“
Dart entging nicht, dass sie die Vergangenheitsform benutzte. Hatte sie sein Geheimnis erraten?
„Haben Sie Geschwister, Dart?“
„Nein.“ Er sollte besser an die Arbeit gehen, doch er war wie gebannt von Emmys blauen Augen. Er wollte nicht, dass sie ihn so ansah. Nein, er wollte in seinem Schmerz alleine bleiben und um die Menschen trauern, die er auf so grausame Weise in den Flammen verloren hatte.
Dart fühlte sich zerrissen. Einerseits wollte er nichts anderes als hier bei ihr bleiben und sich der gewaltigen, geradezu beängstigenden Anziehungskraft zwischen ihnen hingeben, komme was wolle. Andererseits fühlte er sich schuldig, wenn er nur daran dachte, die Gedanken an Marta und an ihre gemeinsame Zeit hinter sich zu lassen.
Die Erinnerung an seine Eltern und ihre bedingungslose Liebe dagegen würde immer ein Teil von ihm sein, egal, wo das Leben ihn hinführte. Und er verspürte das Bedürfnis, Emmy, die nie ein enges Verhältnis zu ihren Eltern gehabt hatte, etwas von dieser Liebe mitzuteilen.
„Meine Eltern dachten lange Zeit, dass sie keine Kinder bekommen könnten. Als meine Mutter schließlich mit mir schwanger wurde, war sie 42. Es war eine schwere Geburt, die uns beide fast das Leben gekostet hätte. Wie durch ein Wunder haben wir überlebt.“ Es fiel Dart schwer, von den beiden Menschen zu erzählen, die er so sehr geliebt und bewundert hatte.
„Es dauerte fast zwei Jahre, bis Mutter wieder ganz gesund wurde, aber sie war eine starke, unbeugsame Frau.“ Er lächelte melancholisch. „Und selbstlos. Sie hat viel Gutes getan, war aber gleichzeitig nie zu stolz, um selbst Hilfe anzunehmen. Das Leben ist zu kurz für falsch verstandenen Stolz, pflegte sie zu sagen. Für andere da zu sein, etwas Sinnvolles zu tun – das war ihr wichtig.“
„Sie muss eine bemerkenswerte Frau gewesen sein.“ In Emmys Augen standen Tränen. Darts Eltern musste etwas Schlimmes zugestoßen sein, dessen war sie sich nun sicher. Sie empfand tiefes Mitgefühl.
„Das war sie. Ebenso wie mein Vater. Wir waren Landarbeiter, zogen von Farm zu Farm und nahmen jeden Job an, den wir bekommen konnten, ob in der Küche oder in den Ställen.“
Sein Blick ging durch sie hindurch, aber es machte ihr nichts aus. Sie fühlte sich geehrt, dass er diese Erinnerungen mit ihr teilte und sich ihr auf diese Weise ein Stück öffnete, so wie sie sich ihm – wenn auch eher unfreiwillig – geöffnet hatte. Seine Worte bedeuteten ihr, dass sie sich nicht für ihre Gefühle schämen musste. Kein falscher Stolz.
„Jahrelang habe ich keine ordentliche Schule besucht. Die meiste Zeit unterrichteten mich meine Eltern selbst.“ Dart lächelte. „Wir hatten eine gute Zeit zusammen.“
„Darum beneide ich Sie.“
Ihre Worte holten ihn zurück in die Gegenwart. Emmy stand vor ihm und sah ihn mit glänzenden Augen an. War sie ein Stück näher gekommen? Oder er selbst? Der Abstand zwischen ihnen schien plötzlich kleiner. Nur noch ein Schritt, dann könnte er sie berühren, sie an sich ziehen, ihren fantastischen Körper erneut an seinem spüren. Er kämpfte gegen dieses Gefühl an und versuchte,
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