Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
nüchternen Art und Weise, wie er es gesagt hatte, war ihr ein Schauer über den Rücken gelaufen. Obwohl es schon über zehn Jahre her war, hatte es sich angehört, als wäre es ein ganz natürlicher Teil seines Lebens.
Besonders getroffen hatte Becca jedoch die stille Trauer hinter Jets Worten. Zum allerersten Mal kam es ihr in den Sinn, dass womöglich nicht sie diejenige war, die am meisten unter Matts Tod gelitten hatte. Damals hatte sie dies völlig selbstverständlich angenommen, denn schließlich war Matt ihr Bruder gewesen. Der wichtigste Mensch in ihrem Leben, seitdem sie gemerkt hatte, dass er sich mehr um sie kümmerte als ihre Eltern.
Aber sie beide waren zum frühestmöglichen Zeitpunkt ins Internat geschickt worden, und Ferien gab es nicht allzu oft. In der Highschool waren Matt und Jet monatelang Tag und Nacht zusammen gewesen. Und nach einiger Zeit hatten sie auch die Ferien miteinander verbracht. Sie waren unzertrennlich gewesen, und Jet hatte in den zehn Jahren vor Matts Tod wesentlich mehr Zeit mit ihm verbracht als Becca. Außerdem hatten sie sich gegenseitig als Freunde ausgesucht. Also keine so automatische Verbindung wie unter Geschwistern.
Zu ihrem Erstaunen konnte Becca sich tatsächlich vorstellen, dass Jet ihren Bruder genauso geliebt hatte wie sie. Sein Tod war für ihn ein ebenso großer Verlust gewesen.
Nur hatte sie es ihm nie zugestanden. Sie hatte nicht einmal daran gedacht, als sie ihn für Matts Tod verantwortlich machte. Stattdessen hatte sie ihn angeschrien, dass sie ihn hasste und ihn nie wiedersehen wollte.
Sie hatte sich geirrt.
Diese wenigen Worte waren der Beweis, und sie konnte nicht aufhören, daran zu denken. Immer wieder stiegen ihr deshalb Tränen in die Augen, sodass ihre Sicht verschwamm und sie mehrmals ihren Tritt verfehlte.
Niemand sonst fühlte sich Matt so verbunden. Sogar das Verhältnis zu Max und Rick, die zu der Vierer-Clique gehörten, war etwas anders gewesen. Becca und Jet hatten Matt am nächsten gestanden. Auf einmal wusste sie, dass Jet verstehen würde, wie sehr die Tragödie ihr Leben beeinflusst hatte.
Vielleicht hatte er sich genau wie sie durch Schutzmauern davor bewahrt, jemand anderen wirklich zu lieben, weil das sicherer war, als das Risiko einzugehen, dass einem dieser Mensch entrissen wurde.
Aber über solche Dinge konnte sie mit Jet nicht reden. Selbst wenn sie bereit wäre, ihre Seele zu entblößen, er würde es sicher niemals tun. Ob es für ihn auch so schmerzlich war, mit ihr zusammen zu sein, wegen der Erinnerungen, die dadurch geweckt wurden? Becca empfand plötzlich Schuldgefühle, weil sie ihn damals so ungerecht behandelt hatte.
„Es tut mir leid.“
„Was?“ Jet warf ihr einen düsteren Blick über die Schulter zu.
Oh nein, dachte sie. Hab ich das etwa grade laut gesagt?
„Ich halte nicht besonders gut mit“, erklärte sie hastig. „Meinetwegen musst du so langsam gehen.“
„Du machst das hervorragend.“
„Vielleicht könntest du mich ja irgendwo zurücklassen und dann einen Suchtrupp losschicken, sobald das Schiff ankommt“, schlug sie zögernd vor. Die Aussicht, hier allein zu bleiben, war nicht sehr angenehm.
„Kommt nicht infrage, Süße. Und wenn ich dich tragen muss.“
„Dann sollten wir uns beeilen, damit wir ankommen, bevor das Schiff da ist. Sonst fahren die ohne uns los“, meinte sie.
„Warum sollten sie das tun?“
„Wahrscheinlich glauben sie, dass wir über dem Meer abgestürzt und ertrunken sind.“
„Falls das Notsignal noch funktioniert hat, werden sie sehen, dass wir die Küstenlinie erreicht haben. Außerdem habe ich noch eine Nachricht gefunkt.“
„Ach ja? Wann? Wie denn?“
„Als du bewusstlos warst. Das Licht am Funkgerät flimmerte noch etwas, ehe es vom Meerwasser überspült wurde. Ich habe einen Notruf gesendet und auch gemeldet, dass wir uns auf den Weg zur Station machen.“
„Oh, das ist gut.“ Becca ging halb in die Hocke, um eine steile Böschung zwischen den Bäumen herunterzurutschen.
Jet war bereits unten und streckte die Hand aus, um ihr zu helfen. Aber sie brauchte keine Hilfe. Als sie sich aufrichtete, stand sie dicht vor ihm und schaute auf.
„Prima Idee, dass du das Funkgerät ausprobiert hast. Jetzt fühle ich mich schon viel besser.“ Sie lächelte. „Danke.“
„Gern geschehen.“ Er erwiderte ihr Lächeln. „Allerdings ging es mir auch darum, meine eigene Haut zu retten. Ich bin hier nämlich nicht nur als dein persönlicher
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