Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
Außenborder, da er jeden gefährlichen Felsen hier kannte. Er und Jet waren mittlerweile ein eingespieltes Team. Jet hielt die Taue am Anleger fest und versuchte, das Boot trotz des zunehmenden Wellengangs einigermaßen ruhig zu halten. Mit seinem freien Arm leistete er den Passagieren Hilfestellung, die hintereinander vom Rand des Holzstegs ins Boot springen mussten.
Bei Becca achtete er darauf, sie an ihrem gesunden Arm festzuhalten. Er wollte verhindern, dass sie ausrutschte und zwischen dem Schlauchboot und dem Anleger ins Wasser fiel. Kaum machte sie jedoch einen großen Schritt, kam eine Welle, und das Boot kippte. Jet ließ das Seil los, fing Becca auf und rollte mit ihr auf den Boden des Bootes. Und zwar so, dass er auf dem Rücken landete, um sie abzufedern. Steve stieß einen anerkennenden Ruf aus, und die anderen an Bord klatschten und jubelten.
„Hundert Punkte!“, rief jemand.
Die Erleichterung darüber, endlich gerettet zu werden, zusammen mit der allgemeinen Erschöpfung löste in allen ein euphorisches Gefühl aus. Sogar Becca ließ sich lachend von Jet hochziehen und setzte sich auf die Seitenbank im Boot, wo es ein Halteseil gab. Noch zwei Leute kamen an Bord, dann fuhren sie über die Wellenkämme der Brandung hinaus aufs Meer und ließen Tokolamu und seinen grollenden Vulkan hinter sich.
In den nächsten ein bis zwei Stunden herrschte fröhliches Chaos auf dem Schiff, während die Geretteten ihre Kabinen zugewiesen bekamen. Eine heiße Dusche und frische Kleider waren allen willkommen. Auch Jet nahm diesen Luxus gerne in Anspruch. Allerdings erst, nachdem er noch einmal nach all seinen Patienten geschaut hatte. Jim gab am meisten Anlass zur Sorge.
„Sein Blutdruck ist abgefallen“, berichtete der Schiffsarzt. „Er bekommt gefrorenes Frischplasma, aber er gefällt mir trotzdem nicht. Wir werden einen Hubschraubertransport veranlassen, sobald wir in entsprechender Reichweite sind. Aber das ist sicher erst morgen früh der Fall.“
„Sind Sie für eine eventuelle Not-OP ausgestattet?“, fragte Jet.
„Ja. Aber das Aufwendigste, was wir bisher auf See gemacht haben, war eine Blinddarmentfernung.“
„Die Entfernung einer Milz gehört auch mit in diese Abteilung.“
„Sie haben Erfahrung damit?“
„Ich hab schon einige durchgeführt“, erwiderte Jet.
„Gut.“ Sein älterer Kollege nickte zustimmend. „Hier nehmen Sie diesen Pager. Ich piepe Sie an, falls sich etwas ändert. Oder soll ich mir jetzt Ihre Stirnwunde ansehen?“
„Das hat Zeit. Ich will mich erst mal säubern.“
Jet duschte und zog sich die graue Jogginghose und das weiße T-Shirt an, die er bekommen hatte. Dann klemmte er sich den Pager an den Hosenbund. Da er durch das Bullauge seiner Kabine das letzte Glühen des Sonnenuntergangs sah, ging er an Deck und nach hinten zum Heck des langsam fahrenden Schiffes. Er wollte einen letzten Blick auf die Insel werfen, die ihm für den Rest seines Lebens in Erinnerung bleiben würde.
Als er die Reling direkt über dem Kielwasser erreichte, stellte er fest, dass er nicht alleine war.
Becca stand dort, genau wie er in grauer Trainingshose und einem weißen T-Shirt, das ihr viel zu groß war.
Vor dem Hintergrund der immer kleiner werdenden Insel und dem verblassenden Sonnenuntergang, der sich über den gesamten Ozean erstreckte, erschien Becca winzig. Der Impuls, sie in die Arme zu nehmen und zu beschützen, war so stark, dass Jet einen Augenblick innehielt, bevor er sich zu ihr an die Reling stellte.
Wovor musste er sie noch beschützen? Nach diesem unerwarteten Abenteuer waren sie jetzt doch in Sicherheit und auf dem Weg zurück in ihr normales Leben. Warum also hatte er das Gefühl, sie beschützen zu müssen? Wegen der Vergangenheit? Oder der Zukunft?
Schweigend standen sie nebeneinander und blickten zurück auf die Insel, die allmählich von der Nacht verschluckt wurde.
Jet ließ sich grundsätzlich nicht auf langfristige Beziehungen mit Frauen ein. Könnte er Becca überhaupt geben, was sie brauchte und was sie auch verdient hatte?
Ziemlich unwahrscheinlich. Er hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden, dass er ein einsamer Wolf war. Mit Max und Rick hatte er sein Rudel, aber er brauchte einfach zu viel Freiheit.
Er würde Becca mit Sicherheit verletzen.
Dann würde sie ihn wieder hassen, so wie in den vergangenen zehn Jahren. Im Grunde hatte sich nicht viel verändert. Wie auch, wenn sie nicht einmal über die Vergangenheit redeten?
Unbewusst war
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