Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
den Jungen, der noch immer völlig gebannt aus dem Fenster schaute. So etwas beobachten zu können, war der Wunschtraum jedes Jungen. Ob Rick den Ausblick deshalb so liebte, weil er nie wirklich erwachsen geworden war? Noch immer hatte er Sarahs scharfe Worte im Kopf.
Werd endlich erwachsen und stell dich deiner Verantwortung.
Vielleicht hatte sie ja recht.
Rick unterdrückte ein weiteres Seufzen und ging zu Josh zurück. Er fühlte sich entsetzlich befangen. Merkwürdig, denn normalerweise konnte er gut mit Kindern umgehen. Aber das hier war etwas anderes, weil er eine solche Situation noch nie erlebt hatte. Wenn er Josh nicht direkt ansah, kam es ihm ein bisschen einfacher vor. Also standen sie nebeneinander und bewunderten die Aussicht.
„Ziemlich cool, oder?“
„Was macht denn das kleine Boot dahinten?“, fragte Josh.
„Das ist ein Schlepper. Er fährt raus zum Hafeneingang, um ein großes Schiff reinzuziehen. Das da drüben ist das Boot der Küstenwache. Bei richtig schlechtem Wetter müssen sie manchmal zu Rettungseinsätzen rausfahren. Es macht Spaß, dabei zuzugucken.“
Josh nickte, beobachtete jedoch gerade fasziniert, wie riesige Baumstämme von einem Lastwagen abgeladen wurden. Mithilfe einer Kette hob ein Kran die schweren Stämme herunter, die dabei wie eine Wippe schwankten. „Was ist, wenn sie einen fallen lassen?“
„Das würde vermutlich einen üblen Unfall geben“, antwortete Rick. „Aber die Leute wissen schon, was sie tun. Ich habe noch nie gesehen, dass einer weggerutscht ist.“
Josh sah aus, als könnte er noch lange hier stehen, doch Rick war nervös.
„Wie wär’s dann mit unserer Fahrt?“, meinte er.
„Okay. Aber ich kann auch warten. Wenn du noch was zu tun hast oder so.“
„Nein. Allerdings können wir nicht besonders weit fahren. Es wird bald dunkel, und ich möchte nicht, dass du anfängst zu frieren.“
„Wo ist denn dein Motorrad?“
„Unten in der Garage. Die Treppe ist hinter der Küche.“
„Wohnst du hier ganz allein?“
„Im Augenblick ja.“ Rick ging voran ins Treppenhaus. „Früher hat Max mal bei mir gewohnt, und dann Jet.“
„Wer ist Jet?“
„Bei der Hochzeit hast du neben ihm gesessen. Der Mann, der das Baby auf dem Schoß hatte.“ Die Erinnerung an das Bild heiterte Rick auf.
„Und wo ist er jetzt?“, wollte Josh wissen.
„Er musste wieder zum Militär. Er arbeitet manchmal als Arzt bei den Soldaten. Dann fliegt er in Hubschraubern durch die Gegend, um Leute zu retten, und so.“
„Wow, das ist cool.“
„Motorräder sind auch cool. Schau mal.“ Rick betrat die Garage. Sein SUV stand auf der einen Seite und auf der anderen das Motorrad in seiner glänzend schwarzen Pracht. „Das ist eine italienische Sportmaschine“, erklärte er Josh. „Nicht schlecht, oder?“ Liebevoll strich er über den Sitz. „Jet hat ein Superbike. Es steht dahinten, unter der Plane, solange er weg ist. Seine Maschine hat mehr Power, aber das hier ist mein Baby.“ Er tätschelte das Motorrad ein letztes Mal und merkte dann, dass Josh ihn neugierig ansah.
Als wäre sein Verhalten ungewöhnlich.
„Wir müssen dir noch eine Jacke und einen Helm verpassen“, fuhr Rick schnell fort. „Du kriegst die Sachen von Jet. Er hat sicher nichts dagegen. Die werden dir viel zu groß sein, aber den Helm können wir noch ausstopfen. Das ist der wichtigste Schutz.“
Als Rick mit Joshs Outfit zufrieden war, sah der Junge aus, als wollte er Verkleiden spielen. Seine Hände verschwanden in den Lederhandschuhen und reichten kaum aus den Jackenärmeln. Auch sein Kopf wirkte verloren in dem großen Helm, und das Einzige, was Rick sehen konnte, als er die Maschine aus der Garage rollte, war ein Paar dunkler Augen.
„Sarah findet, dass Motorräder grässlich und gefährlich sind“, teilte Josh ihm mit.
„Sie ist ja auch kein Junge“, erwiderte Rick.
Aber auch kein Mädchen dachte er, während er Josh auf den Sozius half. Sarah war ganz Frau. Rick wunderte sich noch immer, dass sie dieser Motorradfahrt zugestimmt hatte. Sie hatte solche Angst gehabt, dass Josh etwas dabei zustoßen könnte. Trotzdem war sie imstande gewesen, ihre Ängste zu überwinden, damit Josh sich seinen Wunsch erfüllen konnte, was eine Menge über ihre Charakterstärke aussagte.
Und die Tatsache, dass sie es Rick überließ, diese Fahrt mit Josh zu unternehmen, zeigte, dass sie ihm vertraute. Dieses Vertrauen wollte er nicht enttäuschen.
„Leg beide Arme um mich und halt dich
Weitere Kostenlose Bücher