Julia Ärzte zum Verlieben Band 51
kamen die Menschen aus ihren kühlen Häusern. Ein paar Frauen kehrten vom Brunnen zurück und balancierten riesige Wasserbehälter auf ihren Köpfen, während andere lange Feuerholzbündel auf dieselbe Art transportierten. Einige Schulmädchen ahmten die älteren Frauen nach, indem sie ihre Schulbücher säuberlich gestapelt auf den Köpfen trugen. Es war eine völlig andere Welt.
Robina deutete auf eine Lehmhütte mit einem hübschen Zaun. Auf der kleinen Veranda saß eine alte Frau im Schaukelstuhl und war mit ihrer Handarbeit beschäftigt.
Als sie aus dem Auto stiegen, stand die alte Frau schwerfällig auf und stützte sich auf einen Stock. Sobald sie Robina erblickte, leuchtete ihr breites Gesicht auf. „Muzukulwana!“
Niall wartete beim Wagen, während Robina auf ihre Großmutter zurannte und sie umarmte. Es folgte ein langer, für ihn unverständlicher Redeschwall. Schließlich trat Robina zurück und winkte ihn heran.
„Niall, ich möchte Ihnen gern meine Großmutter vorstellen. Umakhulu , dies ist Dr. Niall Ferguson.“ Sie wiederholte die Worte in der Sprache ihrer Großmutter und hörte aufmerksam der Antwort zu. Danach übersetzte sie: „Meine Großmutter heißt Sie herzlich in ihrem Haus willkommen und bittet Sie, Platz zu nehmen. Sie beherrscht Ihre Sprache leider nur wenig, sondern spricht hauptsächlich Xhosa.“
„Würden Sie ihr bitte sagen, dass ich mich geehrt fühle, sie kennenzulernen?“ Niall gab der alten Frau die Hand, was diese mit einem herzlichen Händedruck erwiderte.
Sie setzten sich auf die Veranda und tranken Tee, während die Schatten allmählich länger wurden. Schon bald hatte sich eine Gruppe neugieriger Frauen vor dem Haus versammelt.
„Sisi“ , riefen sie. „Wer ist dieser gut aussehende Mann, den du mit zu deiner Großmutter gebracht hast?“ Dann setzten sie etwas auf Xhosa hinzu, woraufhin Robina rot wurde. Sie antwortete in derselben Sprache, und alle lachten.
Niall hätte den ganzen Nachmittag so dasitzen, dem Stimmengewirr lauschen und Robina ansehen können. So jemanden wie sie hatte er noch nie getroffen. Sie war modern und traditionell zugleich. Im einen Moment wirkte sie schüchtern, im nächsten scherzte sie fröhlich mit den Nachbarn und Freundinnen ihrer Großmutter. Überrascht stellte er fest, dass er glücklich war. Seit Maireads Tod hatte er sich nicht mehr so wohlgefühlt.
Irgendwann erhob sich Robina. „Es gibt noch einen Ort, den ich Ihnen zeigen möchte.“ Mit einem Kuss verabschiedete sie sich von ihrer Großmutter. „Es sei denn, Sie wollen jetzt in Ihr Hotel zurück. Vielleicht haben Sie ja genug für einen Tag.“
Niall schüttelte den Kopf. „Nein“, erwiderte er. „Im Augenblick wäre ich nirgendwo lieber als hier bei Ihnen.“ Als Robina daraufhin erneut errötete, wurde ihm klar, dass seine Gesellschaft sie zumindest nicht ganz kaltließ.
Sie stiegen ins Auto und fuhren dem nächsten Ziel entgegen. Die untergehende Sonne tauchte die Berge in einen rosafarbenen Schein und färbte das Meer rotgolden.
Sie hielten vor einem Haus, das allein auf einer Klippe stand. Niall stieg aus und genoss die Aussicht. Die Vorderseite des Gebäudes war dem Ozean zugewandt. Die Wellen krachten gegen die Felsen und versprühten dabei feine Gischt. Unterhalb der Klippen erstreckte sich ein unendlich langer Strand. Ansonsten waren auch ringsum in der weiteren Entfernung keine anderen Häuser zu sehen.
Ein Schild vor dem Haus zeigte an, dass es zum Verkauf stand. Darauf war auch eine Telefonnummer für Anfragen angegeben.
Fragend hob Niall die Brauen.
„Dies ist das Elternhaus meiner Mutter“, erklärte Robina. „Meine Großeltern lebten hier, bis sie vor zwei Jahren aus Altersgründen in die Provinz Gauteng gezogen sind. Danach haben sie es meinen Eltern als Ferienhaus vermacht. Hier habe ich all meine Schulferien verbracht. Mum und Dad wollten im Ruhestand eigentlich hier einziehen, aber dann ist Dad gestorben. Mum hat es erst kürzlich zum Verkauf freigegeben. Sie kann den Gedanken nicht ertragen, ohne ihn hier zu leben. Ich werde es vermissen, wenn es verkauft ist.“
Niall folgte ihr einen steilen Pfad zum Strand hinunter.
Unten schaute Robina eine Weile aufs Meer hinaus und fügte schließlich hinzu: „Im Frühjahr und im Sommer kommen Wale in diese Bucht. Als kleines Mädchen habe ich stundenlang auf den Felsen gesessen und sie beobachtet.“
Er sah sie an und lächelte. Was sie da erzählte, schien so gar nicht zu der kühlen,
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