Julia Ärzte zum Verlieben Band 53
manchmal befehlen uns die Umstände, etwas anderes zu tun, als wir wirklich wollen“, sagte sie nachdenklich.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Eine tiefsinnige Bemerkung.“
„Die Erfahrungen einer Frau, die alle ihre Lieben hat sterben sehen.“ Melissa musste ein paar Mal schlucken, um den Klumpen in ihrem Hals wieder loszuwerden.
„Es muss hart für Sie gewesen sein“, meinte er mitfühlend.
„Manchmal ist es das immer noch.“ Gedankenvoll schüttelte sie den Kopf. „Es ist nicht leicht, allein zu sein.“
„Warum ist Ihre Verlobung auseinandergegangen?“ Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, fürchtete er, dass sie zu persönlich war. Doch wenn er die wirkliche Melissa Clarkson kennenlernen wollte, musste er mehr über sie erfahren.
„Da gab es viele Gründe. Hauptsächlich hat es wohl daran gelegen, dass wir uns nicht gut genug kannten. Alles ist viel zu schnell gegangen.“ Sie holte tief Luft, froh darüber, sich wieder besser unter Kontrolle zu haben. „Und wie sieht es mit Ihrem Privatleben aus? Es muss einiges geschehen sein, dass Sie sich hier in Didja niedergelassen haben.“
„Ich dachte, das würde Sie nicht interessieren? Zumindest hatten Sie das gleich am ersten Tag klargemacht.“
„Okay, es interessiert mich. Ich war anfangs nur nicht so neugierig wie jetzt.“
„Dann haben Sie noch nichts von den Gerüchten gehört?“
„Gerüchten? Nein. Carrie hat mir lediglich die Geschichte erzählt, wie der halbe Ort mit einem Bierfass bei Ihnen erschienen ist, weil Sie nicht in den Pub gehen wollten.“
Er lächelte bei der Erinnerung daran. „Es war ein einschneidender Moment in meinem Leben. Plötzlich ist mir klar geworden, dass ich mich von der Vergangenheit lösen muss, wenn es für mich eine Zukunft geben soll.“
„Sie vergraben sich völlig in Ihre Arbeit. Das tun nur Menschen, die eine große Enttäuschung erlebt haben.“
„Und denen der Glaube an das Gute im Menschen grausam zerstört worden ist.“ Joss’ Worte klangen bitter. Er packte das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
„War es so schlimm?“ Mitfühlend strich Melissa ihm über den Handrücken, ohne darüber nachzudenken.
Ihre Berührung löste eine Welle von Gefühlen in ihm aus. Als er den Kopf wandte, konnte sie die Qualen in seinen blauen Augen sehen. „Ja, das war es.“
„Joss, es tut mir so leid.“
„Es muss Ihnen nicht leidtun. Schließlich war es nicht Ihre Schuld.“ Er konzentrierte sich wieder auf die Straße, die sich schnurgerade dahinzog. Nirgendwo war ein Haus in Sicht. Unwillkürlich trat er fester aufs Gas. Je früher sie zu ihrem nächsten Ziel gelangten, desto besser. Es war ihm einfach zu gefährlich, mit Melissa in dieser engen Kabine zu sitzen, ihren verführerischen Duft zu riechen, ihre tröstende Stimme zu hören und ihre Berührung zu spüren.
„Trotzdem tut es mir leid, dass Sie so Schlimmes mitmachen mussten. Schmerz ist immer schwer zu ertragen, körperlich und seelisch. Als meine Adoptiveltern starben, war ich gezwungen, mit einem Mal erwachsen zu werden. Ich lernte eine Menge über das Leben. Zum Beispiel, wie rasch es enden kann. Aber hilft es einem wirklich, wenn man sich in seinem Schmerz an die Vergangenheit klammert? Oder ist es besser, sich davon zu lösen und sich auf die Zukunft zu konzentrieren?“ Melissa hatte mehr zu sich selbst gesprochen, als würde auch sie einen Anstoß brauchen, um unter die eigene Vergangenheit einen Schlussstrich zu ziehen.
Für eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort. Beide hingen ihren Gedanken nach. Bis Melissa abermals das Schweigen brach. „Ich dachte, wir würden hier draußen jede Menge Kängurus sehen?“
Bei diesem Themenwechsel entspannte Joss sich wieder. Er lockerte seinen Griff am Lenkrad. „Das werden wir auch noch. Und Emus. Sie haben ihren Spaß daran, mit den vorbeifahrenden Autos ein Wettrennen zu veranstalten.“
„Das stelle ich mir witzig vor. Werden sie dabei nicht überfahren?“
„Hin und wieder kommt es schon vor, aber sehr selten. Ich denke, sie wollen uns nur zeigen, was sie können.“
Melissa musste lächeln. Die Atmosphäre im Auto war längst nicht mehr so spannungsgeladen und ihre Unterhaltung nicht mehr so gezwungen wie vorher. Während sie Kilometer für Kilometer zurücklegten, erkundigte sie sich nach den Patienten, die auf der Liste ihrer Hausbesuche standen, und wo sie wohnten.
Beide schraken zusammen, als Joss’ Handy plötzlich klingelte. Rasch setzte
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