Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
wirkte … gebrochen.
Genau wie ihr Vater.
„Wir bringen Sie wieder auf die Beine, Stan“, versicherte sie und rückte die Maske an ihren Platz. „Es wird alles gut.“
Er zog sie erneut weg. „Nein, lassen Sie mich. Lassen Sie mich sterben.“
Mias und Lucas Blicke trafen sich. Als sie dann auf Stan hinuntersah, wurde sie plötzlich wütend. Er war ein Feigling, wie ihr Vater. Ihr Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, und Stan war vom Balkon gesprungen, ohne sich um die zu scheren, die sie zurückließen.
Ein winziges Baby. Eine fassungslose Zehnjährige.
„Bitte, lassen Sie mich sterben.“
Mia vermutete, dass der Selbstmordversuch nur ein Hilferuf war. Sonst wäre Stan kein Risiko eingegangen und hätte sich aus einem höheren Stockwerk gestürzt.
Sie setzte ihm die Maske auf. „Tut mir leid, Stan, das kann ich nicht.“
Eine Stunde lang arbeiteten Luca und Mia Seite an Seite, um Stan zu stabilisieren. Sie intubierten, legten Venenzugänge, gaben Blut und Plasmaexpander, besprachen sich mit den Kollegen der Orthopädie, der Chirurgie und Radiologie.
Und die ganze Zeit begleitete Luca ein einziger Gedanke: Komm schon, Stan, komm schon. Du darfst nicht sterben.
Als Notfallarzt wusste er, dass man nicht jeden Kampf gewinnen konnte. Egal, was man unternahm und wie sehr man sein Bestes gab, manchmal siegte der Tod. Kinder, Teenager, Sportler, Mütter, vierzigjährige Familienväter in der Blüte ihres Lebens – sie alle konnten sterben.
Ach, zum Teufel, eines Tages müssen wir alle sterben!
Doch dieser Mann hatte eine Saite in ihm angerührt. Zum ersten Mal in seiner Karriere fühlte er sich persönlich mit einem Patienten verbunden. Nicht etwa, weil Stan ihn mit einem Messer bedroht hatte, sondern weil Luca die Dämonen kannte, die ihn dazu getrieben hatten.
Er wusste genau, wie es sich anfühlte, von einem geliebten Menschen betrogen zu werden. Wenn einem plötzlich der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Wie sehr es das Leben veränderte. Und wie es war, sich als Vater zu fühlen, um es von einem Moment auf den anderen nicht mehr zu sein.
Machtlos zu sein. Sich ohnmächtig zu fühlen. Allein.
Das alles mochte Jahrzehnte her sein, aber solche Erfahrungen blieben, brannten sich in die Seele, für immer.
„Hämoglobin bei acht.“ Mias Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Wir müssen ihn in den OP bringen, er verliert immer noch Blut. Ohne Laparotomie finden wir nicht heraus, wo.“
Wie von Zauberhand herbeigeholt, erschienen ein Anästhesist, eine Schwester und zwei Pfleger, und Luca konzentrierte sich auf die Übergabe.
Fünf Minuten später standen Mia und Luca im leeren Schockraum. Auf dem Boden lagen aufgerissene Verpackungen und benutzte Tupfer, die in der Hektik nicht im Abfalleimer, sondern daneben gelandet waren. Und hatte hier gerade noch hohe Betriebsamkeit geherrscht, untermalt vom Piepsen und Blinken der Überwachungsgeräte, so herrschte jetzt fast gespenstische Stille.
Luca blickte Mia an, die dem Tross mit Stan nachsah. Auf ihrem blassen Gesicht lag ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte.
Spontan legte er den Arm um sie. „Er wird durchkommen“, sagte er, ohne zu wissen, warum und ob es überhaupt stimmte.
Mia nickte. Physisch vielleicht, dachte sie. Aber seelisch?
Ein paar kostbare Sekunden lang lehnte sie sich an Luca, genoss die tröstliche Umarmung. Sie war überrascht, wie sehr sie sie brauchte. Ihre Brust fühlte sich an wie eingeschnürt, ihr wurde die Kehle eng, und zu ihrem Entsetzen sammelten sich Tränen hinter ihren Lidern.
Mia hasste diesen Zustand.
Sie entzog sich Lucas Arm, streifte den Plastikkittel ab und auch die Handschuhe, bevor sie beides in den übervollen Mülleimer warf.
„Ich informiere John“, sagte sie und ließ Luca allein zurück.
Evie hatte es geschafft, Mia kam nun doch mit zu Lucas Party. Aber nur Mia wusste, dass der Grund dafür nicht Evies Überredungskunst gewesen war.
Stans Geschichte war Mia den ganzen Tag im Kopf herumgespukt. Um ein Buch zu lesen, dazu fehlte ihr die Ruhe, sie brauchte Ablenkung. Und Luca hatte mehr als einmal bewiesen, wie sehr er sie ablenken konnte!
Die Party war in vollem Gange, als die beiden Frauen mit zweistündiger Verspätung eintrafen. Trotzdem wurden sie begeistert begrüßt, trafen überall auf bekannte Gesichter.
Mia spürte sofort Lucas Blick und sah ihn direkt an. Um sie herum dröhnte Musik, keiner von ihnen lächelte, aber kurz verrieten ihre Augen dunkle Begierde. Dann zog
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