Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
immun. Der Tod seiner Großmutter, die Schuld, die er auf sich geladen hatte, all das drohte ihn zu erdrücken.
Dass Mia miterlebt hatte, wie erschüttert er gewesen war, machte es erst recht schwer.
Beim Aufwachen gerade eben hatte er erleichtert festgestellt, dass er allein im Bett lag. Er war es nicht gewohnt, seine Gefühle vor anderen auszubreiten, vor allem nicht vor einer Frau. Gebranntes Kind scheut das Feuer, dachte er. Und bei Marissa hatte er sich gewaltig verbrannt. Das reichte fürs Leben.
„Ich brauche einen Kaffee“, sagte er brüsk und wandte sich ab. Er wollte kein Mitleid in ihren Augen lesen.
Mia blickte ihm nach, wie er zur Küche ging. Er war wie verwandelt, so ganz anders als der Luca, den sie kannte. Der Luca, der sie hinterher verführerisch anlächelte, der lässig lachte oder ihr mit einem vielsagenden Blick tief in die Augen sah.
Als hätte er eine Wand zwischen ihnen errichtet.
Ideal, eigentlich. Sie konnte Schluss machen, ohne große klärende Gespräche einfach aus der Wohnung verschwinden. Großartig, genau so hatte sie es sich vorgestellt.
Aber ihr verräterischer Körper protestierte. Mia betrachtete seinen starken Rücken, und schon regte sich wieder Verlangen in ihr. Sie musste sich beherrschen, nicht zu Luca zu gehen. Wie sehr sehnte sie sich danach, ihn zu berühren …
Woher kam diese Sehnsucht?
Mia wagte es nicht, länger darüber nachzudenken. „Ich muss los“, sagte sie. „Nach Evie sehen. Und du hast heute noch eine Menge zu organisieren.“
Er füllte gerade Wasser in die Kaffeemaschine. „Organisieren?“, wiederholte er erstaunt.
„Flüge, Urlaub beantragen, packen.“
„Warum?“
„Wegen der Beerdigung. Entschuldige, aber ich dachte, deine Großmutter hätte in Italien gelebt. Wohnte sie hier in Sydney?“
Luca stellte die Maschine an und drehte sich um. Er packte den Rand der Arbeitsplatte so fest, dass die Haut über den Handknöcheln spannte. „Ich gehe nicht zur Beerdigung.“
„Wie bitte?“ Verblüfft sah sie ihn an.
„Ich gehe nicht hin.“
„Aber … ich dachte, du hättest deiner Großmutter sehr nahegestanden?“ Ihr Leben lang hatte sie sich eine Großmutter gewünscht, jemand, der sie aufgefangen, ihr Halt gegeben hätte.
„Ja.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Soweit das auf die Entfernung möglich ist. Ich … war nicht mehr in Italien, seit ich zum Studium nach England gegangen bin – und glaub mir, niemand in meiner Familie möchte, dass ich mich wieder blicken lasse.“
Der verbitterte Unterton traf sie mitten ins Herz, und statt zu gehen, was sicher klüger gewesen wäre, trat sie auf Luca zu. „Niemand?“
„Sizilianer vergessen nie.“
Mia glitt auf einen Hocker, erfüllt von dem Wunsch, Luca zu trösten. „Ich weiß nicht, was zwischen dir und deiner Familie passiert ist …“
Sie hob die Hand, als er den Mund öffnete. Wahrscheinlich, um ihr zu sagen, dass es sie nichts anging. Natürlich hatte er recht. Sie wusste nichts von seiner Vergangenheit, abgesehen davon, dass er Marsala im Alter von sechzehn Jahren verlassen hatte. Und sie wollte auch nicht mehr wissen.
Nur … sie verstand, wie er sich fühlte. Dass man nicht zurückblicken, sondern einfach nur vergessen wollte, weil das, was man erlebt hatte, so schlimm war. Wie oft hatte sie in den letzten fünf Jahren ihre Mutter besucht … sechs Mal vielleicht, höchstens? Und wie lange schon hatte sie es aufgegeben, Kontakt zu ihrem Vater zu halten, der inzwischen eine neue Familie hatte, nachdem die Frau, die er liebte, ihm die erste zerstört hatte?
„Du musst mir keine Einzelheiten erzählen, Luca“, fuhr sie fort. „Aber die Sache ist lange her, oder? Vielleicht ist Gras darüber gewachsen?“
Ob aus Gewohnheit oder nur aus Höflichkeit, wusste Luca nicht, aber er füllte zwei Kaffeetassen und schob ihr eine hin. Auch wenn er nicht wollte, dass Mia blieb. „Ist es nicht“, antwortete er.
Mia blickte auf den Kaffee. Seine dunkel schimmernde Oberfläche erinnerte sie an Lucas Augen. „Das tut mir leid“, sagte sie leise.
„Es ist, wie es ist.“
Abrupt sah sie auf. Der leicht verstärkte Akzent seiner rauen Stimme, das unverhohlene Bedauern darin war ihr nicht entgangen. Plötzlich wurde sie ärgerlich. Warum musste er immer noch leiden – zwanzig Jahre später? Es war doch seine Familie! Was hatte er getan, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten?
„Du solltest hinfliegen.“ In ihren blauen Augen blitzte etwas auf, das er zuerst
Weitere Kostenlose Bücher