Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
Evie Lockheart nicht gut genug, hatte es geheißen.
Sie brauchte lange, um den Respekt der anderen zurückzugewinnen. Und diesen hart erarbeiteten Respekt würde sie nicht aufs Spiel setzen, indem sie sich wegen eines anderen Arztes zum Narren machte. Erst recht nicht bei einem arroganten Exemplar wie Finn Kennedy!
In der Wohnung war es still, als sie das Wohnzimmer betrat. Evie hatte sich einen alten Frotteemantel über die Sachen gezogen, die sie gestern den ganzen Tag und auch im Bett getragen hatte. Vage erinnerte sie sich daran, wie Mia sie nach Hause gebracht und ihr ins Bett geholfen hatte.
Sie füllte den Wasserkocher und wartete ungeduldig. Als sie dann das heiße Wasser auf den Instantkaffee im Becher goss, belebte der aromatische Kaffeeduft sofort ihre Sinne. Evie öffnete den Kühlschrank, um die Milch herauszuholen, und stellte fest, dass keine mehr da war.
Ihr Magen rebellierte. Das Feuerwerk in ihrem Kopf wurde wieder lauter.
Oh nein, ich kann ihn nicht schwarz trinken!
Ohne an ihr Äußeres auch nur einen Gedanken zu verschwenden, streifte sie den Morgenmantel ab, schnappte sich einen leeren Becher, schlüpfte in das nächstbeste Paar Schuhe und war in dreißig Sekunden beim Fahrstuhl.
Ginnie und John hatten bestimmt Milch im Haus.
Endlich kam der Lift, und Evie hätte heulen können, so froh war sie darüber. Ihre Erleichterung währte allerdings nicht lange. Die Türen öffneten sich, und in der Kabine stand Suzy. Auch sie hatte dieselbe Kleidung wie gestern Abend an, aber sie sah aus, als hätte sie keine Minute geschlafen. Trotzdem hatte sie keine wirren Haare und verquollenen Augen wie Evie. Nein, sie wirkte auf eine sinnliche Weise entspannt und zufrieden.
„Hi, Dr. Lockheart“, zwitscherte sie fröhlich.
Evie lächelte schmallippig und brachte ein, wie sie hoffte, nachsichtiges Nicken zustande. Auch wenn sie sich lieber auf sie gestürzt hätte, um der süßen Suzy das Lächeln aus dem hübschen Gesicht zu wischen.
Doch dazu war sie allein körperlich nicht in der Lage. Nicht mit einem Brummschädel so groß wie der Hafen von Sydney!
Finn starrte an die Decke, während er sich abwesend den rechten Daumen rieb, um das schmerzhafte Kribbeln zu lindern. Er wünschte, er würde sich besser fühlen, nachdem er mit einer hinreißenden jungen Frau die Nacht verbracht hatte. Leider war das nicht der Fall, und es lag nicht an den Folgen seiner schweren Verletzungen.
Immer wieder sah er Evie vor sich, gestern Abend bei Pete, mit ihren rehbraunen Augen, in denen er lesen konnte wie in einem offenen Buch. Mit Abscheu und Verachtung konnte er leben – die begegneten ihm jeden Morgen, wenn er in den Spiegel schaute, und mit der Zeit wurde man immun dagegen.
Aber dass er sie verletzt hatte, damit wurde er nicht so leicht fertig.
Es erinnerte ihn an Lydia und die verfahrenen, fruchtlosen Jahre, in denen er versucht hatte, ihr zu helfen. Stattdessen hatte er alles nur schlimmer gemacht.
In einem dunklen, von grenzenloser Trauer erfüllten Moment hatte sich die Witwe seines Bruders in Finns Arme geflüchtet. Damit begann eine komplizierte Affäre, die er nicht wollte und doch brauchte.
Was Lydia brauchte, hatte er ihr jedoch nicht geben können: Trost. Finn hatte sich von klein auf mehr oder weniger durchs Leben geschlagen, war weitergereicht worden von einem Pflegeheim zum anderen, von Pflegefamilie zu Pflegefamilie. Als er dann seinen Bruder verlor, hatte er sich nicht einmal selbst trösten können, geschweige denn eine verzweifelt trauernde Witwe.
Im Grunde war er erleichtert gewesen, als sie die Sache beendete. Auch wenn ein feines Unbehagen zurückblieb – sie war die letzte Verbindung zu seinem Bruder gewesen, dem kleinen Bruder, den er seine gesamte Kindheit und Jugend lang beschützt hatte.
Dass er Lydia nicht geliebt hatte und sie ihn auch nicht, machte ihm nichts mehr aus, nachdem sie gegangen war.
Aber er wusste, wie eine Frau aussah, wenn sie verletzt war. Und Dr. Evie Lockheart hatte genau diesen Blick gehabt – und er war schuld daran.
Ach, verdammt, was konnte er dafür, dass sie in einen flüchtigen Moment der Schwäche zu viel hineinlas?
Sollte Prinzessin Evie ihre rehäugigen Blicke doch jemand anders zuwerfen. Finn wollte nichts damit zu tun haben.
Mia wollte gerade ins Bett gehen, als es an der Wohnungstür klopfte. Der Tag hatte sich dahingeschleppt und war deprimierend gewesen wie eine Woche Dauerregen … nicht nur wegen einer unleidlichen Evie mit ihrem
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