Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
hinabkullerte.
Wie konnte ich das nur vergessen? Natürlich ist sie nervös – ihre Eltern sind gerade erst bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Und jetzt fliegen wir an den Ort, wo ihre Eltern zuletzt gewesen sind. Sie drückte Carolines Hand fester.
„Atme einfach ganz ruhig ein und aus – langsam und regelmäßig, durch die Nase“, riet sie ihr. „Das habe ich vor einem Rennen auch immer so gemacht. Das hat mich beruhigt.“
Als sie gestartet waren und die Reiseflughöhe erreicht hatten, merkte sie, dass die junge Frau sich beruhigt hatte. Caroline ist schließlich der Grund, warum ich in diesem Flugzeug sitze, erinnerte sie sich. Wie viel Mut muss es das arme Mädchen gekostet haben, überhaupt mitzukommen?
Keine zwei Stunden später waren sie in Paris gelandet. Sie hatten noch eine lange Reise in den Süden des Landes vor sich, aber Pierre wollte in seiner Stadtwohnung vorbeifahren, um nach der Post zu schauen.
„Ihr zwei könnt auch schon ohne mich weiterfahren“, schlug er vor. „Ich nehme dann einen späteren Zug.“
„Ich möchte sehen, wo du wohnst“, sagte Caroline zu Julies Überraschung. Sie hatte gedacht, das junge Mädchen interessiere sich kaum für das Leben des Onkels.
Pierre zögerte einen Augenblick. Hat er vielleicht andere Pläne? fragte sich Julie. Hat er eine Verabredung? Mit einer Frau?
„ D’accord “, sagte er dann lächelnd. „Wie ihr wollt.“
Pierres Wohnung lag in einem der besten Arrondissements der Stadt. Das Gebäude war wunderschön, und das Apartment nahm ein ganzes Stockwerk ein.
Die Innenausstattung war exquisit – sicher hatte Iona ihre Hand im Spiel gehabt. Erst jetzt ging Julie auf, wie reich Pierres Familie in Wirklichkeit sein musste. Aber trotz aller Opulenz, irgendetwas fehlte.
Es schien ihr wie ein Ort zum Essen und Schlafen – und hier bringt er seine Frauen her – aber kein Ort zum Leben.
„Nicht schlecht“, sagte Caroline anerkennend. „Vielleicht kann ich ja mal mit ein paar Freunden zu Besuch kommen? Ich wollte schon immer mal Paris sehen.“
„Wir können auch auf dem Rückweg aus dem Süden eine Nacht hier verbringen“, schlug Pierre vor. „Ich könnte euch all die Orte zeigen, von denen ich erzählt habe. Es ist Jahre her, dass ich sie selber besucht habe.“
Julie lachte. „Das geht einem immer so in der Stadt, in der man lebt. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt im Schloss in Edinburgh war oder die Stufen zu Scotts Monument hochgestiegen bin.“
„Ich auch nicht“, fügte Caroline hinzu. „Aber wir sollten Pierre mitnehmen, wenn wir wieder zu Hause sind – wenn er sich die Zeit nehmen kann.“ Sie schaute ihn von der Seite an.
„Mal sehen“, sagte er. Als er Julies warnenden Blick sah, fügte er schnell hinzu: „Aber doch, das würde mir sehr gefallen.“
Es war bereits dunkel, als sie auf dem Weingut ankamen. Auf der Fahrt zum Haupthaus konnte Julie die Reben erahnen, die in langen Reihen die sanften Hügel bedeckten.
Sie waren am Bahnhof von einem freundlich aussehenden Mann abgeholt worden, der Ende dreißig sein mochte. Pierre hatte ihn als Alain vorgestellt – sein Freund aus Kindestagen und jetziger Verwalter des Weinguts.
Das Haupthaus hatte zwei Stockwerke, und als Alain ihre Taschen in die Eingangshalle trug, fühlte sich Julie sofort wie zu Hause. Ihr Schlafzimmer befand sich unter dem Dach; auf dem großen Bett lagen mehrere Daunendecken und ein ganzer Berg Kissen, und im Kamin hatte ein guter Geist ein Feuer angezündet.
Nachdem sie sich frisch gemacht hatte, ging sie hinunter zu den anderen. Im riesigen Wohnzimmer standen mehrere gemütliche Sofas um den großen Kamin herum, in dem ein prächtiges Feuer loderte. Julie ließ sich dankbar in die tiefen Kissen sinken.
Hier könnte ich für den Rest meines Lebens bleiben, dachte sie. Es war einfach perfekt.
Julie konnte während des Abendessens kaum die Augen offen halten. Michelle, die Frau von Alain, hatte Brot, Käse und Salat aufgetischt, ein einfaches, aber köstliches Mahl.
Julie entschuldigte sich bald und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück. Als sie sich in ihr Bett gekuschelt hatte und den Stimmen aus der Küche lauschte, wurde sie plötzlich von einer tiefen Traurigkeit erfasst.
Die Atmosphäre des Hauses, die warmherzige Begrüßung, die Ungezwungenheit und Vertrautheit der Menschen im Umgang miteinander lösten in ihr ein Gefühl der Einsamkeit aus, welches noch stärker war als sonst.
Wie gerne wäre sie Teil einer
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