Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
zum Lift eilten. „Dass Marco und ich … eine Affäre haben?“, zischte sie, kaum dass sich die Türen hinter ihnen geschlossen hatten.
Finn seufzte, als er den verletzten Unterton heraushörte. „Selbstverständlich nicht, Evie. Aber in diesem Krankenhaus, wo Klatsch die zweite Amtssprache ist, kannst du eure schicke Familienvilla darauf verwetten, dass die anderen es glauben werden.“
Evie starrte ihn an. Wollte ihm sagen, dass das der größte Blödsinn sei, den er je von sich gegeben hätte. Leider hatte Finn recht. Wie viel Tratsch hatte sie in all den Jahren hier schon ertragen müssen? Im ersten Jahr war sie die arrogante Ziege gewesen, die dem armen Stuart das Herz gebrochen hatte. Weil sie ihm angeblich zu verstehen gab, dass er für sie nicht gut genug war. Während sie stattdessen herausgefunden hatte, dass er sie nur wegen ihres Namens und der einflussreichen Kontakte ihrer Familie heiraten wollte.
Und im letzten Jahr hatten alle munter über sie und Finn getratscht.
Ihre Wut verrauchte augenblicklich. „Ja, die Leute reden gern.“
„Eben. Deshalb sollte man sie nicht noch mit Munition versorgen – das ist mein Motto.“
„Ach ja? Du lieferst ihnen doch ständig Gelegenheiten, die Gerüchteküche anzuheizen. Schläfst mit jedem hübschen jungen Ding, das dir schöne Augen macht!“
Sie selbst eingeschlossen. Auch wenn sie bei ihm nie mit den Wimpern geklimpert hatte …
Er grinste. „Das hat sie brav davon abgehalten, über meine Verletzung zu reden, oder?“
Da musste sie lachen. Mit seinen durchdringenden eisblauen Augen, dem dunklen Bartschatten und der finsteren Miene wirkte er ständig angespannt. Augenblicke wie diese, wenn er sich über etwas amüsierte, waren so selten. Finn wirkte auf einmal um Jahre jünger, und Evie fand ihn atemberaubend.
Und plötzlich, einfach so, fand sie den Mut, das anzugehen, was sie schon so lange vor sich her schob. „Meinst du, wir könnten uns diese Woche mal treffen und reden?“, begann sie.
Die Heiterkeit, die ihn für einen Moment mit Wärme erfüllt hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase. Reden hörte sich so einladend an wie eine Wurzelbehandlung!
Finn musterte sie wachsam. „Ich rede nicht gern.“
„Ist mir auch schon aufgefallen.“
„Es hat sich nichts geändert, auch wenn ich wieder da bin, Evie.“
Die Warnung war deutlich. Finn Kennedy, du bist wirklich eine harte Nuss, dachte sie und sagte schnell: „Ich weiß. Darum geht es nicht. Um uns, meine ich.“
Jedenfalls nicht direkt. Evie kreuzte hinter dem Rücken die Finger. „Es hat … etwas mit der Arbeit zu tun.“
Hatte es auch. Im Großen und Ganzen schon. Beruflich würde sie kürzer treten müssen, und sein Arbeitsalltag dürfte sich auch ändern, wenn er seine Vaterrolle ernst nahm.
Die steile Falte zwischen seinen dunklen Brauen vertiefte sich noch. Warum musste ich mich in einen Mann verlieben, der so unglaublich misstrauisch ist? „Es ist ein bisschen kompliziert, Finn“, fügte sie hinzu. „Kannst du nicht einfach Ja sagen? Danach lasse ich dich in Ruhe. Versprochen, okay?“
Finn war nicht scharf auf eine trauliche Unterhaltung mit Evie. Seiner Erfahrung nach dachten Frauen bei solchen Gesprächen an goldene Ringe, weiße Kleider und den Schwur ewiger Liebe. Aber sie hatte gesagt, dass es um die Arbeit ging … und ihr Versprechen war verlockend.
Evie wollte sich zurückziehen. Die Gelegenheit konnte er sich nicht entgehen lassen. Auch wenn er sich eingestehen musste, dass das nicht einfach werden würde. Er träumte öfter von ihr, als ihm lieb war, und jedes Mal, wenn er sie sah, überkamen ihn sehr primitive Regungen – als wäre er auf die Stufe eines Neandertalers herabgesunken, der sich das Weib schnappen und in seine Höhle schleppen wollte!
Aber wenn sie ihren Teil dazu beitrug, dass er endlich wieder seine Ruhe hatte, dann konnte er auch seinen leisten.
„Nach Khalids Entlassung?“, schlug er vor. „In zwei, drei Tagen, bei Pete?“
Erst jetzt merkte Evie, dass sie unwillkürlich den Atem angehalten hatte. „Danke.“
„Ich sage dir noch Bescheid“, sagte er knapp und ging, ohne ihre Antwort abzuwarten.
In Gedanken war er längst bei seinem Patienten.
Am Freitagnachmittag wurde Prinz Khalid entlassen. Er zog vorerst in die Penthouse-Suite eines Luxushotels. In welches, das war topsecret. Finn gehörte zu den wenigen Eingeweihten, und Khalid hatte seine Handynummer. Rund um die Uhr wurde er von Krankenschwestern betreut, und Finn
Weitere Kostenlose Bücher