Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
ins Gesicht schaute, sah sie, dass ihm eine Träne über die Wange lief. „Es ist … sehr schön, oder?“, sagte er und zog sie enger an sich.
Es war, als brauchte er die Wärme ihres Körpers, um sich zu versichern, dass das Leben weiterging. „Ich weiß, dass sie fort sind. Ich weiß das schon sehr lange, aber …“ Seine Stimme war tränenerstickt. „Hier ist es auf einmal real. Ich habe sie so sehr geliebt, und nun sind sie für immer fort, Honey.“
Honey konnte ihre eigenen Tränen nicht mehr zurückhalten. Als sie leise schluchzte, schaute Edward ihr ins Gesicht. Es rührte ihn, dass seine Trauer sie so bewegte.
„Ich bin stolz auf dich“, flüsterte sie ihm zu.
„Danke.“ Edward presste seine Lippen kurz auf ihren Mund. Erleichterung lag in seiner Stimme. „Ich danke dir.“
Honeys zweite Woche in Oodnaminaby verlief weniger dramatisch und emotional als die erste, aber das störte sie nicht. Sie hatten inzwischen erfahren, dass es Leonard gut ging und sein Bein nach einem chirurgischen Eingriff wieder ganz verheilen würde.
In der Praxis war Honeys Patientenliste nicht mehr ganz so voll, nachdem die Einwohner des Ortes ihre Neugier auf die Vertretungsärztin befriedigt hatten. Auch bei ihren Hausbesuchen, mit denen sie in der zweiten Arbeitswoche angefangen hatte, war sie von allen freundlich aufgenommen worden.
Lorelai arbeitete nicht mehr, sie war in der sechsunddreißigsten Schwangerschaftswoche, und das Baby konnte jederzeit zur Welt kommen. Honey hatte sich bei Edward über den kürzesten Weg zur Klinik in Tumut informiert, falls das nötig werden sollte.
Nach ihrem Ausflug zum Mount Kosciuszko und dann nach Charlotte’s Pass hatte Edward sich wieder ein wenig zurückgezogen. Dass sie starke Gefühle füreinander hegten, war offensichtlich, aber es schien, als brauche er nach dem aufwühlenden Besuch in der Kapelle ein wenig Abstand.
Sie sprachen über ihre Patienten, und Honey war zweimal zum Abendessen bei ihm und Hamilton gewesen. Edward war freundlich und aufmerksam, aber er machte keine Anstalten, sie zu berühren. Er schien sich über seine Gefühle genauso wenig im Klaren zu sein wie sie selbst.
Nachdem Edward erklärt hatte, dass er keine Kinder wollte, hatte Honey begonnen, über ihre eigenen Wünsche nachzudenken. Was war ihr wichtiger: ein Zuhause zu finden oder einen Ort, um eine Familie zu gründen? Sie hatte immer geglaubt, beides wäre dasselbe, aber vielleicht war das ein Fehler.
Sie hatte sich Hals über Kopf in Oodnaminaby verliebt, nicht nur in den Ort und die Landschaft, sondern auch in die Herzlichkeit der Menschen. Hier konnte sie sich heimisch fühlen, das wusste sie. Und es wäre ein wundervoller Platz, um Kinder großzuziehen. Aber wie sollte das gehen, solange ihre Gefühle für Edward so stark und verwirrend waren?
Der einzige Ausweg, den Honey im Augenblick sah, bestand darin, sich in die Arbeit zu stürzen.
„Ich bin so daran gewöhnt, immer auf den Beinen zu sein“, sagte Lorelai, als Honey sie besuchte. „Ich war immer in der Praxis oder auf Hausbesuchen, und jetzt bin ich plötzlich ständig zu Hause. Das macht John ganz nervös.“ Sie schaute Honey besorgt an, während sie an ihrem Kräutertee nippte. „Gestern hätte er fast sein Handy fallen lassen, als er telefonierte und auf einmal bemerkte, dass ich im Wohnzimmer auf dem Sofa lag.“
„Wirklich?“ Honey wusste nicht recht, was sie darauf erwidern sollte. „Hast du nicht erzählt, dass er für die Minengesellschaft arbeitet? Da sollte man nicht nervös sein.“
„Ja, das stimmt“, sagte Lorelai. „Er meint, dass er zu Hause Ruhe braucht, weil er bei der Arbeit so viel Stress hat.“
„Hm.“ Aufmerksam musterte Honey ihre Freundin. Sie hatte das Gefühl, dass mehr hinter ihren Worten steckte. „Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“
„Auf der Skipiste. John war immer ein begeisterter Skifahrer.“ Bei der Erinnerung daran lächelte Lorelai. „Es ging alles ziemlich schnell. Wir haben uns verliebt, und vor der nächsten Skisaison ist er schon bei mir eingezogen, und wir haben geheiratet.“
„Das ist nicht euer gemeinsames Haus?“
„Nein, ich habe es gekauft, als ich nach dem Studium zurück nach Oodnaminaby gezogen bin.“ Lorelai runzelte die Stirn. „Zum Glück.“
Ihre Worte beunruhigten Honey. „Ist mit euch beiden alles in Ordnung?“
Sofort stiegen Lorelai Tränen in die Augen. Schnell nahm Honey ihr den Teebecher aus der Hand und reichte ihr
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