Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
unverhofften Wiedersehens mit Josh?
Oder die Zweifel an den folgenreichen Entscheidungen, die ihre Zukunft betrafen?
Was immer es gewesen war, Megan fühlte sich leichter, nicht mehr so niedergedrückt wie vorhin noch.
Sie war zu Hause.
Konnte sie diesem malerischen Winkel von Cornwall wirklich für immer den Rücken kehren? Ihr Herz hing daran. Sie dachte an das kleine Cottage, daran, dass sie das Andenken ihrer Großmutter nicht gerade in Ehren hielt, wenn sie das Häuschen in diesem erbärmlichen Zustand anderen Menschen überließ. Gran war immer für sie da gewesen, hatte sie aufgenommen, eine verängstigte Vierjährige, und großgezogen. Gütig, weise und voller Wärme.
„Gran, was soll ich tun?“
Die einzige Antwort war das Rauschen der Brandung. Selbst die Möwen waren kurzzeitig verstummt. Megan atmete noch einmal tief die salzige Luft ein und wandte sich ab, um den Strand zu verlassen.
Ich kann nicht einfach gehen, dachte sie. Jedenfalls jetzt noch nicht. Die guten Erinnerungen waren stärker als die herzzerreißenden. Und sie schuldete es ihrer Großmutter, dass sie das Cottage in Ordnung brachte, bevor sie weitere Entscheidungen traf.
Megan marschierte zu Annas Haus zurück, die Hände tief in die Manteltaschen geschoben, um dem beißenden Wind so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten.
Durch die Wollhandschuhe fühlte sie einen kleinen, harten Gegenstand. Als sie ihn herauszog, erinnerte sie sich. Es war Claires Halskette, die sie während des Notfalls eingesteckt hatte, damit sie nicht verloren ging. Sie betrachtete sie näher. Ein silbernes Kleeblatt hing daran.
Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Sehr irisch. Und bestimmt ein besonderer Schatz. Ob Claire den Verlust schon bemerkt hatte und untröstlich war? Ich bringe es ihr, wenn ich Anna ihre Autoschlüssel zurückgebe, überlegte sie. Auf dem Weg könnte sie auch gleich einen Mietwagen bestellen und sich nach Handwerkern umsehen, die ihr Haus in Ordnung brachten.
Am späten Nachmittag, von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne beschienen, fuhr Megan auf den Parkplatz des Krankenhauses.
Nachdem sie Annas Wagen abgestellt hatte, machte sie sich auf den Weg ins Gebäude. Ein Rettungshubschrauber näherte sich und landete mit knatternden Rotoren. Alltag im St. Piran, denn die Notaufnahme genoss einen exzellenten Ruf. Schwerverletzte wurden sofort hierhergebracht, weil die Abteilung hochmodern ausgestattet und das medizinische Personal Spitzenklasse war.
Dank Josh.
Auch die Pädiatrie war hervorragend. Es fehlte an nichts, weder an Geräten noch an engagierten Ärzten oder Pflegepersonal. Während Megan das Krankenhaus betrat, die Gerüche wahrnahm, die Betriebsamkeit, die um sie herum herrschte, stellte sich ein Gefühl der Vertrautheit ein, so intensiv, als sei sie nie weg gewesen.
Wie anders dagegen die Verhältnisse in den Entwicklungsländern, wo es selbst an der einfachsten Grundausstattung mangelte und nie genug qualifizierte Helfer vor Ort waren. Da war es leicht, zu glauben, dass man einen unbeschreiblich wichtigen Beitrag leistete. Aber bedeutete es wirklich mehr, ein kleines Leben in Afrika zu retten als hier?
Nein. Eltern sind Eltern, dachte sie. Sie lieben ihre Kinder, egal wo auf der Welt sie leben. Nur die Verhältnisse waren anders, die Herausforderungen schwieriger und manchmal ungeheuer frustrierend, wenn allein das Glück darüber entschied, ob die richtigen Medikamente oder Instrumente zur Hand waren. Während man hier vieles für selbstverständlich hielt, wie einen Inkubator oder ausreichend Antibiotika.
Vertraute Gesichter begegneten ihr, als sie zur Kardiologie ging. Auch eine der Hebammen, die sie gut kannte.
„Hi, Brianna.“
„Hallo, Megan! Ich habe schon gehört, dass du wieder da bist. Wie geht es dir?“
„Gut, danke. Und dir? Du arbeitest also wieder?“
„Nur Teilzeit. Die Zwillinge halten uns ganz schön auf Trab.“ Brianna lächelte schief, aber das Mutterglück leuchtete ihr aus den Augen.
Zwillinge. Gedanken an Josh lauerten auch hier an jeder Ecke … Megan hatte plötzlich das Bedürfnis nach einem Schutzschild, mit dem sie ihr Herz panzern konnte.
Brianna lächelte immer noch. „Tut mir leid, ich muss weiter, ein Hausbesuch bei einer jungen Mutter. Wollen wir uns bald mal treffen? Ich bin ganz gespannt, wie es dir ergangen ist. Bleibst du jetzt hier?“
Spontan schüttelte sie heftig den Kopf.
„Oh, schade. Wir könnten dich gut gebrauchen. Wusstest du, dass in der
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