Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
schärfer als gewollt. Rasch lächelte sie die Krankenschwester an. „Leg es am besten auf einen der Wagen dort drüben in der Ecke. Die Wandmalerin ist gerade im Schockraum, um sich anzusehen, wie sie ihre Bilder an die Einrichtung anpassen kann.“
„Wandmalerei?“ Josh sah Megan an, als Gina gegangen war. Sie spürte es deutlich. „Im Schockraum?“
Sie wollte den Blick erwidern, war sich aber nicht sicher, ob sie professionelle Distanz wahren konnte. Also packte sie weiter den Karton aus, als gäbe es im Moment nichts Wichtigeres zu tun.
„Nicht so bunt oder vielfältig wie an den Wänden und in den Bettenzimmern. Ich dachte an Bohnenranken mit grünen Blättern und Raupen darauf und Schmetterlinge auf blassblauem Hintergrund. Ein paar davon auch an der Decke, falls Platz ist.“
„Hört sich zeitaufwendig an. Ich hoffe, wir bleiben damit im Plan. Bis morgen soll die Röntgen-Ausrüstung an Ort und Stelle sein.“ Sein Blick war intensiv, und jetzt sah sie doch auf. Aber er betrachtete nicht ihr Gesicht, sondern ihre Hände.
Was war das mit den Händen? Sie brauchte seine nur anzuschauen, wann und wo auch immer, selbst wenn sie einfach auf dem Tisch im Personalraum ruhten, und spürte sofort dieses seltsame Kribbeln im Bauch. Wie vorhin auch, als er Gina das Poster erklärte.
Weil sie sich daran erinnerte, wie es war, von diesen starken, warmen Händen berührt zu werden?
Fühlte Josh etwas Ähnliches, wenn er ihre Hände ansah?
Megan holte tief Luft. „Wir wollen diese Räume doch so kinderfreundlich wie möglich gestalten“, sagte sie ruhig. „In die Schockräume werden auch Kinder gebracht, die bei Bewusstsein sind. Kleine Kinder mit schweren Verletzungen, zum Beispiel. Wenn sie von ihrer Angst und ihren Schmerzen abgelenkt sind, können wir sie leichter untersuchen, und sie stehen weniger stark unter Stress.“
Das musste ihn überzeugen. Im Geiste hörte sie Josh schon mit den Medien reden, wenn er den neuen Bereich stolz eröffnete. Der lebensbedrohliche Schockzustand bei inneren Blutungen, könnte er sagen, verschärft sich, je schneller das Herz schlägt. Wenn es gelingt, ein Kind zu beruhigen, verlangsamt sich die Herzfrequenz und infolgedessen auch die Blutung. Das würde die Leute beeindrucken. Jeder, der zum Spendenaufkommen beigetragen hatte, wusste, dass das Geld nicht für bloße Dekoration verschwendet worden war.
Sie rang sich zu einem Lächeln durch, als sie Josh anblickte. „Meinst du nicht, du könntest Brenna von etwas, das ihr Angst macht, ablenken, wenn du ihr den großen blauen Schmetterling an der Decke zeigst oder sie die gelbe Raupe mit den grünen Punkten suchen lässt?“
Der eindringliche Blick verschwand, machte einem Lächeln Platz. Einem echten Lächeln, das seine blauen Augen erreichte.
Megan musste aufpassen, dass sie sich darin nicht verlor.
„Du hast recht“, sagte Josh. „Auch ein Schockraum muss kindgerecht gestaltet sein.“
Schweigen entstand. Bevor es unbehaglich zu werden drohte, rettete sich Megan in eine unverfängliche Frage. „Wie geht es Claire?“
„Recht gut. Sie wird noch schnell müde, aber sie kommt gut klar – dank ihrer Grannygruppe. Da fällt mir ein, ich soll dir von ihr etwas ausrichten.“
„Oh … was denn?“ Für einen Moment war sie unaufmerksam gewesen, hatte seiner tiefen Stimme gelauscht.
„Sie möchten sich an deinem Afrikaprojekt beteiligen und Spielzeug sammeln. Mum fragt, ob du sie nicht bald besuchen kannst, damit ihr besprechen könnt, was am besten geeignet wäre.“
„Das ist sehr nett von ihnen …“ Megan biss sich auf die Lippe. „Aber Spielzeug ist nicht das Wichtigste. Viel besser wären Schulhefte, Papier, Blei- und Buntstifte, Bilderbücher und …“ Sie verstummte verlegen, weil ihre Begeisterung mit ihr durchgegangen war.
Doch Josh lächelte. „Sag das Mum und ihren Freundinnen. Ich bin sicher, dass sie spenden wollen, was auch immer am sinnvollsten ist.“
„Gut, danke.“
Sein Lächeln wärmte sie, und sie konnte nicht genug davon bekommen. Aber sie musste vernünftig sein. Megan widmete sich wieder ihrem Karton. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Josh sie betrachtete.
Immer wieder überfielen sie die Erinnerungen an das, was zwischen ihnen gewesen war. An die magnetische Anziehung, die sie nur schwer unter Kontrolle brachte.
Es war, als stünde sie am Ufer eines tropischen Sees. Die Sonne brannte vom Himmel herab, es war einer der heißesten Tage des Sommers. Der tiefe, ruhige See,
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