Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
Fragend blickte die Krankenschwester auf. „Müssen Ärzte nicht auswendig wissen, wie sie, abhängig vom Körpergewicht, die Medikamente richtig dosieren?“
„Ja, natürlich.“ Megan, die gerade einen Karton auspackte, richtete sich auf. „Aber betrachte es als Zusatzversicherung“, meinte sie. „Je genauer man sein kann und je mehr Zeit man bei einem Notfall spart, umso besser.“
Über Ginas Schulter hinweg sah sie Josh näherkommen. Auch eine Woche nach Beginn des Umbaus herrschte im neuen Bereich der Notaufnahme noch Chaos. Man hatte einen Teil des Gipsraums und zwei Büros abgetrennt. Handwerker brachten Deckenschienen für die Röntgen-Ausrüstung an, verlegten die Elektrik für Überwachungsgeräte und Computer, installierten Telefonleitungen und bauten die zentrale Schwesternstation auf.
Wenn alles fertig war, verfügte die Notaufnahme über eine Sechs-Betten-Station für Babys und Kinder, die bis zu vierundzwanzig Stunden abseits vom Trubel beobachtet und behandelt werden konnten. Zwei Schockräume gehörten dazu.
Viele Krankenhäuser würden sie um dieses Konzept, das mit Sicherheit eine Menge öffentlicher Aufmerksamkeit auf sich zog, beneiden. Josh O’Hara hatte es entwickelt, was seiner kometenhaften Karriere noch mehr Antrieb verleihen würde. Falls er sich dessen bewusst war, so zeigte er es nicht. Josh wirkte völlig entspannt, hatte die Hemdsärmel aufgerollt, das Stethoskop lässig um den Hals gehängt.
Natürlich war es nicht das erste Mal, dass er der Baustelle einen Besuch abstattete. Es war seine Domäne, das war von Anfang an klar gewesen. Seine Arbeit – die eine Hälfte seines perfekten Lebens. Sicher ahnte er nicht im Geringsten, was seine Mutter Megan gegenüber angedeutet hatte. Er schien entschlossen zu sein, in jeder Minute zu demonstrieren, wie glücklich er war.
Seiner Stimme war anzuhören, wie sehr ihn dieses Projekt begeisterte, und er diskutierte leidenschaftlich jede Frage und jeden Einwand, den Megan vorbrachte. Mit seinen Kollegen pflegte er einen lockeren Umgangston, auch wenn die anderen nie zu vergessen schienen, dass sie es mit dem Chefarzt zu tun hatten.
Zu Megans Erleichterung war es nicht so schwer wie gedacht, ihn Tag für Tag zu sehen, zu erleben, wie einfühlsam er mit seinen Patienten umging oder wie energisch und souverän er Wiederbelebungsmaßnahmen durchführte. Sie begegnete ihm auf professioneller Ebene, war eine Kollegin, nichts weiter.
Niemand ahnte jedoch, wie sehr sie sich seiner Nähe bewusst war. Sie hörte seine Stimme heraus, wo auch immer er sich in der Abteilung aufhielt. Sie spürte ihn, bevor sie ihn sah.
Jetzt nickte sie ihm kurz zu und fuhr in ihrem Gespräch mit Gina fort. „Bei unseren kleinen Patienten spielen viele Faktoren eine wichtige Rolle.“ Ihr Herz schlug ein wenig schneller, seit Josh zu ihnen getreten war. „Größe und Gewicht entscheiden wesentlich darüber, welchen Tubus wir nehmen oder wie viel Diazepam wir bei einem Krampfanfall verabreichen.“
Lächelnd trat Josh näher, nahm das Poster, rollte es auseinander und hielt es an die Wand. Unter dem Hemd bewegten sich seine Schultermuskeln, und das Licht fiel auf die feinen schwarzen Härchen, die seine kraftvollen Unterarme bedeckten. Megan betrachtete jedoch fasziniert seine Hände, die schlanken männlichen Finger, als Josh die verschiedenen Textfelder der farbenfrohen Grafik berührte.
„Ein krankes Baby oder Krabbelkind lässt sich nicht so einfach wiegen“, erklärte er Gina. „Aber man kann die Länge messen. Siehst du …“ Er deutete auf die Kurve. „Ich habe einen Zweijährigen mit epileptischem Anfall und will ihm intravenös Diazepam geben. Hier haben wir sein Alter. Eine kurze Messung zeigt mir, dass er mit über hundert Zentimeter für sein Alter zu groß ist, also an die zwanzig Kilogramm wiegen muss. Und hier kann ich die Dosis gegenchecken …“ Joshs Hand vollführte einen schwungvollen Schlenker zu einem anderen Textfeld mit Informationen zur Dosierung. In Megans Magen flatterte synchron ein Schmetterling.
„Toll.“ Gina blickte jedoch nicht das Plakat, sondern Josh bewundernd an.
Sie ist jung, fuhr es Megan durch den Kopf. Und sehr hübsch. Josh brauchte nicht einsam zu sein, wenn er nicht wollte.
Der Schmetterling ließ die Flügel hängen. Megan wandte den Blick von Josh ab und starrte auf das Päckchen in ihrer Hand. Ein Tubus, kleinste Größe.
„Soll ich das Poster aufhängen?“, fragte Gina.
„Nein.“ Das klang
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