Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
Megan merkte nicht, dass sie die Luft anhielt, bis sie schließlich mit einem Seufzer der Erleichterung ausatmete, als der Tubus in die Luftröhre glitt. Mit dem Stethoskop vergewisserte sie sich, dass sich Bonnies Lungen mit Sauerstoff füllten, zugeführt von Josh über den Beatmungsbeutel.
Die Anspannung hielt jedoch noch eine Weile an, bis sie die Kleine an das Beatmungsgerät angeschlossen und die Sauerstoffzufuhr so eingestellt hatten, dass Bonnie stabil genug für den Transport zur Intensivstation war. Megan begleitete sie.
Als sie später in die Notaufnahme zurückkehrte, um Josh zu sagen, dass das Mädchen sich langsam erholte, fand sie ihn im Schwesternzimmer. Er hielt einen Riesenstrauß roter Rosen in der Hand.
Josh sah sie nicht näherkommen, weil er die kleine Karte las, die an die schimmernde Zellophanhülle geheftet war.
Rote Rosen, romantische Blumen der Liebe. Wer war der glückliche Empfänger? Josh? Alles andere als angenehme Gefühle stiegen in ihr auf.
Bis er lächelnd sagte: „Die sind für dich.“
Der Druck in ihrem Magen verflüchtigte sich, machte einer hoffnungsvollen Freude Platz. Doch dann sah sie, dass das Lächeln seine Augen nicht erreichte.
„Anscheinend ist heute dein Geburtstag“, fügte er hinzu.
„Oh … Herzlichen Glückwunsch, Megan!“, ertönte ein Chor fröhlicher Stimmen von den Kollegen.
Doch sie hörte sie kaum. Josh hatte also nicht mehr gewusst, dass sie heute Geburtstag hatte. Die Rosen konnten nicht von ihm sein.
Und das bedeutete …
Josh sah sie intensiv an. „Wer ist Charles?“, fragte er, und der beiläufige Tonfall sandte eine andere Botschaft als sein Blick.
Megan stand am Scheideweg. Sagte sie Ja zu ihren neuen Zukunftsplänen, oder ließ sie es zu, dass die Vergangenheit sie zurückhielt?
Konnte sie endlich akzeptieren, dass etwas, das sie sich einmal mehr gewünscht hatte als alles andere, ein unerfüllter Traum bleiben würde? Konnte sie den letzten Schritt tun, der Josh – und auch sie selbst – für immer freigab?
Im Grunde blieb ihr keine Wahl.
Sie achtete nicht auf die erwartungsvollen Gesichter rundherum, sondern holte tief Luft und konzentrierte sich auf eins … Joshs.
„Charles ist mein Verlobter.“
6. KAPITEL
Verlobter?
Megan hatte einen Verlobten?
Was hast du erwartet? Dass Megan für den Rest ihres Lebens allein bleibt, weil sie dich nicht heiraten kann? Trotzdem war er schockiert.
Die Kollegen überschütteten sie mit Glückwünschen und Fragen. Wer war Charles? Wo hatte sie ihn kennengelernt? Wie lange waren sie schon verlobt?
„Er ist Tropenmediziner“, hörte er Megan sagen. „Wir haben uns in Afrika kennengelernt. Er lebt in London, und … und wir sind erst seit Kurzem verlobt.“
„Trägst du deshalb keinen Ring?“
„Ich … Ja.“
Kaum merklich nur hatte sie gezögert, und er hätte dem vielleicht keine Bedeutung beigemessen, wenn Megan ihn nicht flüchtig angesehen hätte. Dabei fielen Josh zwei Dinge auf. Erstens steckte mehr hinter dieser Verlobung, als Megan preisgab. Und zweitens schien sie zutiefst verwirrt, weil er sie wie vom Donner gerührt anstarrte.
Geschieht ihr recht. Josh klebte sich ein Lächeln ins Gesicht. Zum Glück hatte er die Blumen längst aus der Hand gelegt.
„Glückwunsch, Megan.“ Es gelang ihm, mit normaler Stimme zu sprechen. „Ich hoffe, dass du glücklich wirst. Entschuldige mich, ich möchte nach Bonnie sehen.“
Eine gute Gelegenheit, aus der Notaufnahme zu verschwinden. Josh hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass ihm jemand folgen würde. Er beschleunigte seine Schritte.
„Josh … warte.“ Megan holte ihn ein. „Das wollte ich dir doch sagen.“
„Was?“ Er würdigte sie keines Blickes. „Dass du verlobt bist?“
„Nein …“ Es klang wie ein Seufzer. „Dass es Bonnie besser geht.“
„Gut. Aber ich überzeuge mich gern selbst davon.“ Josh ging weiter.
„Josh“, sagte sie fast flehentlich. „Bitte … sei nicht so.“
Sie war nicht laut geworden, aber die beiden Krankenschwestern, die ihnen entgegenkamen, starrten ihn neugierig an, bevor sie einander einen vielsagenden Blick zuwarfen. Josh hörte förmlich den Tratsch, der in kurzer Zeit im Krankenhaus aufblühen würde.
Hast du das gesehen? Es passiert schon wieder. Die können keine fünf Minuten miteinander arbeiten, ohne dass es zwischen ihnen knistert.
Nichts würde passieren – falls er sich endlich in den Griff bekam, statt sich wie ein hormongesteuerter Teenager
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