Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
von exotischem Urwaldgrün umgeben, sah verlockend kühl aus. Sie wusste, wie herrlich es wäre, einfach einzutauchen in das schmeichelnd türkisblaue Wasser. So herrlich, dass sie das Gefühl hatte, vor Lust und Freude zu sterben, wenn sie es auf der Haut spürte. Aber sie wusste auch, dass unter der seichten Oberfläche gefräßige Piranhas lauerten. Nach dem ersten Vergnügen würde der Schmerz unerträglich sein. Ihr Überlebenswille war stark genug, dass sie sich hütete, den trockenen Boden zu verlassen, so hart und steinig er auch sein mochte …
Gina kam aus der Notaufnahme. „Dr. O’Hara? Sie werden gebraucht. Dem kleinen asthmakranken Mädchen geht es schlechter.“
„Ich komme.“ Josh marschierte los, als ihm plötzlich etwas einzufallen schien. Er wandte sich zu Megan um. „Du hast doch wieder die Erlaubnis, hier zu praktizieren, oder?“
Sie nickte. Dafür hatte Albert White gesorgt. Wenn schon, denn schon, hatte er gesagt. Was nützt einem eine hervorragende Kinderärztin, wenn man sie nicht bei Bedarf einsetzen kann?
„Das Mädchen hat schon die volle Therapie bekommen, und ich dachte, wir haben alles im Griff. Eine zweite Meinung wäre nicht schlecht.“
„Gern.“
Dass sie plötzlich aufgeregt war, hatte bestimmt mit dem Notfall zu tun. Und nicht damit, dass sie Seite an Seite mit Josh arbeiten würde.
Die sechsjährige Bonnie bekam dauerhaft Salbutamol, aber sie litt trotzdem unter starker Atemnot. Auf Joshs Fragen konnte sie nur mühsam antworten, mehr als ein, zwei Worte auf einmal brachte sie nicht hervor.
„Wie ist die Sauerstoffsättigung?“, fragte Megan, während sie der Kleinen den Puls fühlte. Das Herz schlug rasend schnell.
„Niedrig, sechsundachtzig Prozent. Ist noch gefallen. Die Atemfrequenz hat sich von vierzig auf sechsundfünfzig erhöht.“ Er überlegte kurz. „Lass uns Aminophyllin geben und die Brust röntgen, um einen Pneumothorax auszuschließen. Okay?“
Megan nickte zustimmend. „Ich halte eine Überdruckbeatmung für sinnvoll.“ Sie drückte sanft Bonnies Hand. „Wir setzen dir eine andere Maske auf und geben dir etwas, das dir das Atmen erleichtert, Schätzchen. Du brauchst keine Angst zu haben.“
Aber Bonnie sah völlig verängstigt aus. Genau wie ihre Mutter, die dicht am Bett ihrer Tochter saß und ihre andere Hand hielt. Megan beugte sich zu Josh vor und senkte die Stimme. „Wir brauchen eine Blutgasanalyse. Und wir sollten sie auf die Kinderintensivstation verlegen, sobald sie stabil ist.“
„Natürlich.“ Josh runzelte die Stirn. Hinter ihnen brüllte jemand, und ein Pfleger drohte, den Sicherheitsdienst zu rufen. Eine Röntgenassistentin kam in den Schockraum und zerrte ein Gerät mit sich, das dabei scheppernd gegen ein anderes stieß. Gleichzeitig ging an einem der Monitore ein schriller Alarmton los.
Megans und Joshs Blicke trafen sich. Josh deutete auf die schlichten weißen Wände und die einschüchternde Ansammlung komplizierter Technik davor. „Je eher wir unsere neue Abteilung nutzen können, umso besser, hm?“, murmelte er.
Vage gab sie einen zustimmenden Laut von sich, dachte aber: Nur dass es nicht unsere ist. Megan würde nie wieder hier am St. Piran arbeiten, jedenfalls nicht auf Dauer. Das plötzliche Bedauern schmerzte, als hätte ihr jemand einen Stich versetzt.
Aber dann konzentrierte sie sich wieder auf die kleine Patientin. Trotz aller Bemühungen verschlechterte sich Bonnies Zustand. Bald brachte sie nicht einmal ein einziges Wort heraus und drohte bewusstlos zu werden. Die Sauerstoffsättigung in ihrem Blut fiel rapide. Ihre Fingernägel nahmen eine alarmierend blaue Färbung an.
„Ich werde intubieren“, beschloss Josh. „Gibst du Sauerstoff und Krikoiddruck?“
Megan hielt die Beatmungsmaske über Bonnies Gesicht und war bereit, auf die Kehle des inzwischen bewusstlosen Mädchens zu drücken, um Josh die Sicht auf die Stimmlippen zu ermöglichen, damit er den Tubus richtig platzieren konnte. Aber sein erster Versuch schlug fehl. Megan sah, wie sich feine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Sie hob die Hand und schaltete den nervtötenden Alarmton am Monitor direkt über Joshs Kopf aus.
Josh blickte auf. Er brauchte nichts zu sagen. Wenn der zweite Versuch auch erfolglos blieb, mussten sie zu drastischen Maßnahmen greifen – zum Beispiel, Bonnies Atemweg vom Hals her zu punktieren. Jede Minute zählte. Megan hatte mehr Erfahrung mit den engen Atemwegen von Kindern.
Sie tauschten die Plätze.
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