JULIA ARZTROMAN Band 26
„Hinter der Steinmauer, bei den Ginsterbüschen, lagen Fahrräder. Wie viele es waren, konnte ich nicht genau sehen, aber ich schätze, nicht mehr als ein halbes Dutzend.“
„Bring mich hin, bitte!“ Kate sprang auf. „Ich muss meinen Sohn finden. Er ist alles, was ich noch habe.“
„Du gehst nirgendwohin. Erst verständigen wir die Rettungsleitzentrale.“ Nick drückte sie wieder auf den Stuhl. „Wir …“
„Ich habe schon angerufen und ihnen gesagt, dass Jem in einer Mine festsitzt“, unterbrach sie ihn. „Das Team ist unterwegs. Wir sollen uns hier an der Praxis mit ihnen treffen.“
„Gut, dass wir auch für Rettungseinsätze ausgebildet sind“, sagte Nick. „Das hattest du noch organisiert, als du Praxismanagerin warst.“
„Inzwischen kann ich ja mit Maggie und Mike zu dem Platz fahren, wo sie die Fahrräder gesehen hat, um herauszufinden, welche Mine es ist“, schlug Adam vor.
Die Idee gefiel Maggie nur so lange, bis ihr klar wurde, dass sie ihm dadurch näherkommen würde, als ihr lieb wäre.
Es war schon schwer genug, dass er genauso umwerfend aussah wie damals. Ihn anzublicken und zu wissen, dass er einer anderen gehörte, tat unbeschreiblich weh. Die Vorstellung, regelmäßig mit ihm zusammenarbeiten zu müssen, nahm ihr schon jetzt den Mut. Vielleicht blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr geliebtes Penhally Bay zu verlassen.
„Ausgezeichnet, Adam. Wir warten, bis wir etwas von dir hören, und schicken das Team zu dir, falls Maggies Spur richtig ist.“
Mike war draußen beim Wagen gewesen, kam nun wieder herein und winkte Maggie zu sich. Wahrscheinlich hatte er mit der Einsatzzentrale gesprochen. Falls sie zu einem Herzpatienten ausrücken mussten wie bei Walter Dinnis, würde Adam sich allein umsehen müssen.
„Das war die Zentrale“, bestätigte er ihre Gedanken. „Sie wissen, dass unsere Schicht fast vorbei ist, aber wir sollen hierbleiben und, wenn nötig, helfen. Es kann dauern, bis sie uns die Ablösung schicken.“
„Soll ich bei euch mitfahren oder meinen Wagen nehmen?“, fragte Adam.
„Such dir was aus“, antwortete Maggie munter. Insgeheim war sie froh, dass in der Fahrerkabine kein Platz für ihn war. Ihre Gefühle waren ein einziges Chaos. Da musste er nicht auch noch dicht neben ihr sitzen. Sie wusste ja nicht einmal, ob sie ihn liebte oder hasste – so wie sie vor einem Jahr auseinandergegangen waren.
„Wenn Sie mit uns fahren, müssen Sie hinten rein!“, rief Mike ihm zu. „Aber halten Sie sich gut fest. Die Kurven in den Hügeln hinter Penhally Bay sind so schon nicht ohne. Im Rettungswagen ist es die Hölle.“
„Okay, dann folge ich euch.“
Maggie vergewisserte sich, dass die Hecktüren fest verschlossen waren, und sprintete nach vorn zur Fahrerkabine.
Als Adam den Schlüssel ins Zündschloss steckte, hatte Mike das schwere Fahrzeug schon gewendet und fuhr auf die Straße. Sekunden später raste es mit Blaulicht und Sirene davon. Adam musste das Gaspedal durchtreten, um den Rettungswagen einzuholen.
An der Hafenbrücke verengte sich die Straße. Als ein Autofahrer versuchte, sich die Vorfahrt zu sichern, blendete Mike die starken Scheinwerfer auf und hielt direkt auf ihn zu. Adam blieb dicht hinter ihm. Erst an der nächsten Brücke drosselten sie in weiser Voraussicht die Geschwindigkeit. Die Zufahrt zur Brücke war schmal, und sie konnten es nicht riskieren, ins Schleudern zu geraten und nähere Bekanntschaft mit der massiven Granitbrüstung zu machen.
Sobald sie wieder auf der Straße waren, heulte der Motor auf, und der Krankenwagen gewann an Fahrt. Mike schien entschlossen, auch das Letzte aus seinem Fahrzeug herauszuholen, um die steilen Windungen zu bezwingen.
Obwohl Adam seit Jahren nicht in Penhally Bay gewesen war, hätte er mühelos auf Autopilot schalten können. Die Gegend war ihm so vertraut, dass seine Gedanken abschweiften, hin zu der Frau, die im Rettungswagen saß.
Er hatte gewusst, dass Maggie noch in Cornwall lebte und arbeitete, und sich hauptsächlich deshalb auf die Stelle als Vertretungsarzt beworben. Doch als er vorhin den Aufenthaltsraum betrat und sie dort stehen sah, schlank und zierlich in ihrem grünen Sanitäter-Overall, hatte er im ersten Moment den Atem angehalten.
Nicht nur, weil sie sich die Haare abgeschnitten hatte. Vor einem Jahr waren sie schulterlang gewesen, und sie trug sie meistens zu einem Pferdeschwanz gebunden. Aber die neue kinnlange Frisur unterstrich ihre elfenhafte Schönheit. Ihre
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