JULIA ARZTROMAN Band 26
Gebäude weit und breit und vor ihr nur Felsen, vor denen sich dicht gedrängt Ginstersträucher in den Boden krallten.
Das Licht erfasste Zweige, die dort, wo die Tiere sie abgefressen hatten, heller waren. Einer war erst vor Kurzem abgebrochen, so als hätte ein Tier versucht, sich durch das Gestrüpp zu zwängen.
„Sieht nicht besonders einladend aus“, dachte sie laut und lugte hinein.
Dort war nichts als schwarzer Schatten. Die Büsche wirkten undurchdringlich, waren aber mit Sicherheit nicht groß genug, um fünf Jungen zu verstecken. Geschweige denn die Ruine eines Maschinenhäuschens oder eine Mine.
„Habt ihr was entdeckt?“, rief sie Mike und Adam zu. Obwohl es fast dunkel war, konnte sie sie mühelos voneinander unterscheiden. Mike hatte breite, bullig muskulöse Schultern, die er regelmäßig im Fitnessstudio pflegte, aber er war auch einige Zentimeter kleiner als Adam, dessen schlanker, hochgewachsener Körper auf natürliche Weise athletisch wirkte.
„Jedenfalls keine Mine“, antwortete Mike. „Vielleicht haben wir die falschen Räder gefunden. Kann doch sein, dass jemand sie geklaut und hier versteckt hat, oder?“
„Wo sollen wir als Nächstes suchen?“ Leichtfüßig sprang Adam von dem Felsen über ihr und landete dicht neben ihr. Das Gewicht der Tasche schien ihn dabei nicht im Geringsten zu behindern.
„Ich habe absolut keine …“ Maggie schwieg und wandte den Kopf. „Schscht! Habt ihr das gehört?“
„Was?“ Auf den Steinen waren Mikes Schritte zu hören, und dann war auch er unten bei den Ginstersträuchern.
„Da ist es wieder.“ Sie richtete die Taschenlampe auf das Gestrüpp. „Klingt, als hätte sich ein Kätzchen verfangen.“ So ganz war sie davon allerdings nicht überzeugt. Die Laute klangen schwach, wie aus weiter Ferne. Vielleicht blökte ein Lamm auf einem der anderen Felder …
„Und wenn es die Kinder sind?“, überlegte Mike. „Kann sein, dass sie das Licht sehen oder die Reflektoren unserer Uniform. He!“, brüllte er so unvermutet, dass Maggie zusammenfuhr. „Ist dort jemand?“
„Wir sind hier!“ Diesmal bestand kein Zweifel. Mitten aus dem Gebüsch ertönte eine schwache Kinderstimme.
„Aber ich habe hineingeleuchtet und nichts gesehen“, sagte Maggie, als Adam sich auf die Knie niederließ.
„Man sieht auch nichts“, hörte sie ihn murmeln. Dann das Geräusch von reißendem Stoff, gefolgt von einem unterdrückten Fluch, als Adam versuchte, sich einen Weg durch die störrischen Zweige zu bahnen. „Es sei denn … Ich hab’s!“, rief er triumphierend. Holz splitterte.
„Was hast du gefunden?“ Maggie kniete nieder, insgeheim dankbar für das widerstandsfähige Material ihres Overalls.
„Den Eingang zu einem Stollen“, sagte er gepresst, bevor man wieder Holz brechen hörte. „Au, verdammt!“
„Ein Stollen?“, wiederholte sie, während sie sich besorgt fragte, ob Adam sich verletzt hatte.
„Der Zugang zu einer Mine“, erklärte Mike und nahm die Bretter entgegen, die Adam ihm reichte. „Man benutzte ihn als Abbaustrecke oder zur Entwässerung. Hat mir mein Großvater erzählt. Er hat sein Leben lang in den Zinnminen gearbeitet, bis der Weltmarktpreis für Zinn eines Tages ins Bodenlose stürzte.“
„Das ist die Mine!“, verkündete Adam, begleitet vom Knirschen rostiger Nägel, als er die nächste Planke abriss. „Wahrscheinlich ist sie schon vor längerer Zeit verrammelt worden. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Eingang jemals genutzt wurde.“
„Ist da jemand?“, erklang wieder die Kinderstimme aus der Tiefe.
„Ja!“ Adam steckte den Kopf in das dunkle Loch. „Ich bin Arzt. Wer seid ihr, und wo seid ihr?“
Weit weg war ein mehrstimmiges Echo zu hören, dann wieder der erste Junge: „Seid doch mal ruhig! Ich kann nichts verstehen, wenn ihr so einen Krach macht!“
„Immer nur einer, bitte!“, donnerte Adam.
Stille.
„Wir sind zu fünft“, sagte der Sprecher wieder. Maggie war beeindruckt, wie beherrscht und sachlich er klang. Wäre sie in seiner Lage gewesen … nun ja, das würde ihr nie passieren. In engen Räumen litt sie unter Platzangst, ein guter Grund, um um Minenschächte oder Ähnliches einen Riesenbogen zu schlagen.
„Die meisten von uns sind okay“, fuhr er fort. „Aber Tel geht’s schlecht. Er ist gestürzt, und ein paar Steine sind auf ihn raufgefallen … Der Boden unter ihm ist nass, wir glauben, dass er blutet. Aber wir können nichts sehen, weil unsere Taschenlampe
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