JULIA ARZTROMAN Band 26
machen, oder?“
„Zuerst sehe ich mir die Blutung genauer an. Je nachdem, wie stark er blutet, muss ich einen Druckverband anlegen. Dann schiene ich das Bein, damit nichts verrutscht, wenn wir ihn bewegen. Den Gips bekommt er erst im Krankenhaus.“ Falls sie ihn nicht vorher in den OP schaffen, dachte sie. Tel lag immer noch reglos da. Hoffentlich hatte er keine Hirnblutung. Das Blut, das sich im Schädel sammelte, würde einen fatalen Druck ausüben.
„Und womit schienen Sie ihn? Draußen würden wir einen Ast oder so was finden, aber hier sind nur Felsen und diese dicken Baumstämme, die die Decke halten.“
„Deshalb benutzen wir das andere Bein als Schiene.“ Vorsichtig legte sie es an das verletzte und überprüfte noch einmal die Durchblutung, bevor sie beide Beine an Knöcheln und Knien bandagierte. Nach einer kurzen Kontrolle, ob der Verband nicht zu stramm saß, kletterte sie über den Geröllhaufen, um die neongelbe Schaufeltrage zu holen.
„Hey, so was habe ich mal im Fernsehen gesehen!“, rief Jem aus, als sie wieder auftauchte. „Da war ein Hubschrauberteam, die haben vor der Küste Leute gerettet und ins Krankenhaus geflogen.“
„Ich hoffe, du hast genau zugesehen. Ich brauche nämlich deine Hilfe, um Tel richtig daraufzulegen.“ Ob dem Jungen klar war, dass dieser Albtraum ohne ihn für sie noch viel schlimmer wäre? Noch lieber hätte sie natürlich Adam bei sich gehabt …
„Was soll ich machen?“, fragte Jem eifrig. „Müssen wir ihn auf die Seite rollen und ihm das Brett unterschieben?“
„Gut geraten.“ Maggie sah auf und lächelte ihn an. „Aber dazu benutzen wir Sanitäter eine spezielle Methode, die wir während der Ausbildung hundert Mal geübt haben. Okay?“
„Okay.“ Zwischen seinen dunklen Brauen erschien eine winzige steile Falte, als sie ihm genau erklärte, wie sie vorgehen würden.
Dann machten sie sich an die Arbeit. Sie drehten Tel auf eine Seite, schoben die Schaufeltrage in Position und wiederholten die Prozedur auf der anderen Seite. Eine schweißtreibende Angelegenheit, bei der sie genau darauf achten mussten, dass seine Wirbelsäule stets die richtige Lage hatte. Erschwerend hinzu kam noch die Tatsache, dass Tel bei seinem Sturz dicht an der Tunnelwand gelandet war.
„Siehst du die Clips, mit denen die beiden Hälften zusammengesteckt werden, Jem?“ Maggie wünschte, zwei Arme mehr zu haben, um ihm helfen zu können.
„Ich hab’s!“, rief er, als sie hörbar einrasteten. Maggie legte Tel behutsam wieder auf den Rücken. „Und jetzt müssen wir ihn festbinden, damit er sich nicht rühren kann, oder?“, fragte Jem.
„Richtig. Fest genug, damit er nicht herunterrutscht, aber auch nicht so stramm, dass er keine Luft mehr bekommt oder die Durchblutung gestört wird.“ Geschickt fixierte sie mit den breiten Gurten seinen Kopf, Brust, Hüften und Beine. „Gleich können wir den anderen Bescheid sagen, dass … Oh, verflixt!“, stieß sie hervor und kroch zu ihrer Tasche. „Das Funkgerät!“
„… du da, Maggie?“ Kaum hatte sie es angestellt, erfüllte Adams Stimme den schmalen Tunnel. Die Verbindung war nicht perfekt und die Geräusche im Hintergrund viel zu laut, aber Maggie konnte ihn deutlich verstehen. „Alles in Ordnung, Maggie? Antworte bitte“, sagte er, und es klang, als hätte er die Worte ständig wiederholt.
„Adam! Hörst du mich?“ Nervös umklammerte sie das Gerät. „Es tut mir wahnsinnig leid. Ich habe ganz vergessen, dieses Ding wieder einzuschalten.“
„Vergessen?“
Der ungläubige Ton trieb ihr das Blut in die Wangen. „Jem hat mir geholfen, die letzten Steine wegzuräumen und Tel auf die Schaufeltrage zu rollen. Wir sind fertig. Ihr könnt uns holen, wenn ihr so weit seid.“
„Sehr gut. Wir kommen rein und bringen eine Trage mit. Brauchst du irgendetwas? Oder Jem?“
„Holt ihn einfach so schnell wie möglich hier raus. Er hat noch kein Abendessen gehabt.“
Jem nickte heftig.
„Gut, bis gleich“, sagte Adam. „Aber lass das Funkgerät diesmal an, ja?“
Mit einem leisen Klicken wurde die Verbindung unterbrochen. Sofort vermisste sie ihn. Der Stollen erschien ihr plötzlich kälter und dunkler, und am liebsten hätte sie Adam unter einem Vorwand wieder angerufen … nur um seine Stimme zu hören.
Maggie unterdrückte einen Seufzer und holte aus einem Seitenfach ihrer Rettungstasche noch zwei Powerriegel. Sie gab Jem einen, wickelte den anderen aus und setzte sich neben den Jungen. Schweigend
Weitere Kostenlose Bücher