JULIA ARZTROMAN Band 26
habe es erst zu Weihnachten bekommen. Ich habe ihnen gesagt, ich hätte eine verlassene Mine gefunden und dass dort vielleicht ein Schatz wäre. Wenn sie mir mein Rad ließen, würde ich ihnen die Stelle zeigen.“
„Und dann ist Tel abgestürzt, wurde verschüttet, deine Taschenlampe ging kaputt, und ihr kamt nicht wieder heraus. So war’s?“
Schuldbewusst senkte er den Kopf. „Aber Sie erzählen es niemandem, ja?“ Er blickte flehend auf. „Sie haben es versprochen.“
Bevor sie antworten konnte, knackte und fiepte ihr Funkgerät.
„Maggie?“ Trotz der miserablen Verbindung erkannte sie Adams Stimme sofort. „Hörst du mich?“
„Klar und deutlich, Adam.“ Ihr Herz vollführte einen kleinen Salto, wie damals, als sie noch ein junges Mädchen gewesen war und Adam das erste Mal mit ihr gesprochen hatte.
„Der Eingang ist geräumt. Das Team kommt rein. Sie bringen für Tel eine Trage mit. Alles okay bei euch?“
„Wir können es kaum erwarten, von hier zu verschwinden, und freuen uns auf ein warmes Abendessen.“ Sie grinste Jem an. „Sag den Leuten, sie sollen vorsichtig sein. Wir brauchen nicht noch mehr Verletzte.“
„Mach ich. Bis gleich.“
Eine Weile saßen Maggie und Jem stumm da und lauschten. Von ihren Rettern war noch nichts zu hören. Stattdessen dröhnte in weiter Ferne der Generator, und im Stollen tropfte mit monotoner Regelmäßigkeit Wasser auf den feuchten Boden. Gelegentlich ächzten die alten Holzbalken.
Maggie war froh, dass sie in dieser gruseligen Umgebung nicht allein war. Sie hatte das dumme Gefühl, dass sie sich nach diesem Abenteuer nicht einmal überwinden könnte, den Kopf in ihren Küchenschrank zu stecken, um in der hintersten Ecke nach einem Paket Kaffee zu suchen!
„Da sind sie!“, rief Jem aufgeregt aus und reckte den Hals. „Ich sehe Licht auf den Stufen!“
Sie hörte sie auch. Maggie checkte rasch Tels Vitalzeichen. Die Beinwunde blutete offenbar nicht mehr. Ob er innere Blutungen hatte, würden sie erst nach einer gründlichen Untersuchung in der Notaufnahme des St.-Piran-Krankenhauses wissen. Puls und Atmung hielten sich im normalen Bereich, und auch die Durchblutung funktionierte. Also bestand kaum Gefahr, dass er das Bein verlieren würde.
„Sie kommen!“ Jem war aufgesprungen. „Sie brauchen gar nicht so lange wie wir. Wahrscheinlich, weil sie längere Beine haben.“
„Hauptsache, wir sind alle schnell wieder oben“, antwortete Maggie abgelenkt. Sie hatte Adam entdeckt.
„Willkommen in unserer bescheidenen Behausung“, begrüßte sie ihn, als er über den Geröllhaufen zu ihr in den Stollen kletterte. Sie musste sich ein Stück zurückziehen, damit sie beide Platz genug hatten, neben dem Patienten zu knien.
Es war seltsam, wieder Seite an Seite mit ihm zu arbeiten. Unwillkürlich stiegen die Erinnerungen an jenen schrecklichen Nachmittag in ihr auf, als sie unter der U-Bahn gelegen hatte.
Während Adam den Jungen untersuchte, berichtete sie kurz, in welcher Verfassung sie Tel vorgefunden und wie sie ihn behandelt hatte.
„Er war die ganze Zeit bewusstlos“, sagte sie mit einem vielsagenden Seitenblick zu Jem. Adam nickte. Seiner Miene nach zu urteilen, machte er sich die gleichen Sorgen wie sie. Aber Jem brauchte nicht zu wissen, dass sie bei Tel eine Hirnblutung befürchteten.
In den nächsten Minuten herrschte in der Abbaukammer hohe Betriebsamkeit. Man hob Tel auf die Krankentrage, schnallte ihn fest und klappte zur zusätzlichen Sicherung die Seitenbügel hoch. Voll auf ihre Aufgabe konzentriert half Maggie mit.
Nur manchmal wurde sie abgelenkt. Jedes Mal, wenn Adam sie zufällig berührte, wenn ihre Schultern aneinanderstießen oder seine Hand ihre streifte, durchzuckte es sie wie ein Stromschlag. Maggie hatte das Gefühl, als luden sich nach der Anspannung der letzten Stunden ihre Batterien wieder auf. Aber das Prickeln weckte auch die Sehnsucht nach mehr, und sie hatte Angst, sich zum Narren zu machen. Was sollte Adam von ihr denken, wenn sie ihm zu nahe rückte?
Ein rascher Blick über die Schulter zeigte ihr, dass Jem immer noch hinter ihr war. Stumm beobachtete er die durch den beengten Raum erschwerten Rettungsarbeiten und wartete geduldig. Maggie dachte an seine Mutter.
„Wie geht es Kate?“, fragte sie Adam leise, während zwischen den Mitgliedern des Teams die Kommandos hin und her flogen.
Er verdrehte die Augen. „Es würde ihr viel besser gehen, wenn Nick nicht solch einen Aufstand gemacht hätte. Kaum war
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