JULIA ARZTROMAN Band 26
nötig ist.“
Als er es mit ihrer Hilfe geschafft hatte, war er blass geworden und saß mit zusammengepressten Lippen stumm da. Auf den ersten Blick schien der Arm in Ordnung zu sein, die Hand gut durchblutet. Aber Lucy sah, wie er mit der anderen Hand vorsichtig seinen Unterarm stützte. Sie vermutete, er hatte sich Elle und Speiche, also beide Unterarmknochen gebrochen.
„Drücken Sie mir mal die Hand“, bat sie.
Er versuchte es, aber seine Kraft hätte nicht ausgereicht, um ein Papiertaschentuch zu zerknüllen.
„Okay. Haben Sie Gefühl in den Fingern?“
„Und wie“, stieß er hervor. „Das ganze Ding schmerzt höllisch. Dad hatte recht, was?“
„Ich fürchte, ja. Sie müssen ins Krankenhaus. Der Arm muss eingegipst werden.“
„Schade, dass es nicht hier geht.“
„Wir arbeiten dran, Toby, aber es dauert noch eine Weile. Tut mir leid.“ Sie schiente den Arm. „So, das dürfte reichen, bis Sie im St. Piran sind. Legen Sie ihn während der Fahrt am besten auf ein Kissen. Und wenn Sie dort sind und Dr. Carter sehen, können Sie ihn bitten, mich anzurufen? Ich hätte gern gewusst, was er dazu sagt.“
„Klar. Vielen Dank, Doc. Ich kann aber nicht sofort los. Dad muss den Fisch ausladen, und wenn er sich nicht beeilt, kommt er nicht mehr rechtzeitig zum Markt.“
„Warten Sie nicht zu lange. Kann Sie nicht jemand anders fahren?“
Er schüttelte den Kopf. „Die sind alle beschäftigt – ihr Boot sauber machen, Netze flicken. Ich könnte den Bus nehmen.“
„Nicht mit dieser Fraktur. Rufen Sie sich besser einen Krankenwagen.“
„Die haben doch bestimmt Wichtigeres zu tun. Nein, Doc, war ja meine Schuld. Ich warte auf meinen Dad.“ Er erhob sich. „Ich werde Dr. Carter ausrichten, was Sie mir aufgetragen haben“, fügte er hinzu und öffnete die Tür.
Zufällig stand ihr Vater draußen im Flur.
„Was soll er ihm ausrichten?“, wollte er wissen, als Toby gegangen war. Seine finstere Miene verhieß nichts Gutes.
„Bitte?“
„Ben Carter.“
„Ach, ja. Es geht um Tobys Fraktur. Ich glaube, solche Fälle können wir hier selbst behandeln. Deshalb wollte ich Bens Meinung dazu hören. Für Toby ist es wirklich schwierig, extra nach St. Piran zu fahren. Einen Krankenwagen will er nicht in Anspruch nehmen, und sein Vater kann nicht weg, ehe er nicht den Fisch ausgeladen und zum Markt gebracht hat. Sie waren die ganze Nacht draußen auf dem Meer. Wenn wir hier röntgen und gipsen könnten, würden wir Patienten wie Toby sehr helfen.“
Sie lächelte und küsste ihren Vater auf die Wange. „Aber jetzt musst du mich entschuldigen. Mein Wartezimmer ist voll, und ich bin schon spät dran.“
Unerwartet umarmte er sie kurz. Wie lange hatte er das nicht mehr getan? Lucy unterdrückte einen Seufzer und eilte nach unten, um den nächsten Patienten aufzurufen.
5. KAPITEL
„Lucy?“
„Hallo, Ben. Hast du mit Toby Penhaligan gesprochen?“
Ihre Stimme klang erfreut. Ben war nicht sicher gewesen, wie sie ihn begrüßen würde, wenn sie erst Zeit gehabt hatte, über gestern Abend nachzudenken. Na, wenigstens nicht kühl und distanziert. Das ließ hoffen …
„Ja.“ Er konzentrierte sich auf ihre Frage. „Er hat sich Radius und Ulna gebrochen, kein komplizierter Bruch. Wusstest du, dass es schon gestern passiert war? Aber sie waren die ganze Nacht draußen und konnten nicht umkehren, bevor sie nicht die Netze eingeholt hatten.“
„Es ist ein harter Job, und ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Außerdem traue ich dem Meer nicht.“ Sie lachte verlegen auf. „Zurück zur Sache – ich wollte wissen, wie lange es gedauert hat, bis ihr ihn wieder entlassen habt. Schließlich brauche ich gute Argumente, wenn ich die Mittel für den Ausbau unserer Wundversorgung beantrage. Bei mir war er heute Morgen um Viertel vor neun.“
Nüchtern, sachlich, zielorientiert – Lucy verlor keine Zeit mit privaten Plaudereien. Ben hingegen musste aufpassen, dass er nicht nur ihrer melodischen Stimme lauschte. „Warte, ich habe hier die Notizen“, sagte er. „Um zehn vor elf kam er an, wurde von einer Schwester in Empfang genommen und hat dann bis kurz vor halb zwölf gewartet. Erster Check durch einen Arzt, dann in den Röntgenraum, und um zehn nach zwölf bekam er seinen Gips. Viertel vor eins wurde er entlassen. Ich hatte meine Mitarbeiter gebeten, die Zeiten aufzuschreiben, weil ich mir dachte, dass du es genau wissen willst.“
„Du bist ein Schatz. Das heißt, er hat auf den Arzt
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