JULIA ARZTROMAN Band 26
dich?“
Müde? Gestresst? Voller Angst, dass ihr Vater und ihr Geliebter in weniger als einer Stunde einander an die Gurgel gehen könnten?
„Prima“, log sie.
Chloe ließ sich nichts vormachen. „Ach ja?“, entgegnete sie skeptisch. „Du siehst kaputt aus. Vielleicht solltest du doch früher in den Mutterschutz gehen.“
„Unmöglich, ich …“, begann sie, aber die Hebamme schnalzte mit der Zunge und zeigte auf die Waage. „Du hast kein Gramm zugenommen. Schon seit zwei Wochen nicht mehr. Ich finde, du solltest bald zum Ultraschall. Hatten sie letztes Mal nicht gesagt, dass die Plazenta zu tief sitzt?“
„Nur ein bisschen. Sie haben mir geraten, in der vierunddreißigsten Woche wiederzukommen, aber sie waren ziemlich sicher, dass ich keinen Kaiserschnitt brauche.“
„Und wie weit bist du jetzt? Samstag sind es zweiunddreißig Wochen? Ich finde, du solltest schleunigst hingehen.“
Sie seufzte. Ben wäre sicher gern dabei. „Okay, ich lasse mir einen Termin geben.“
„Nein, ich rufe an. Damit sie dich gleich morgen früh drannehmen.“
„Morgen!“
„Genau. Sag Hazel, sie soll deine Patienten später einbestellen. Und lass dich am Wochenende von Ben päppeln.“
Verblüfft blickte Lucy auf. Ein unschuldiger Ausdruck lag in Chloes grünen Augen. „Wieso Ben?“
„Ach, komm schon, Lucy. Man hat euch zusammen gesehen. Die Leute reden. Du solltest die werdenden Mütter hören, die heute Morgen bei mir waren – Dr. Lucys Freund sieht super aus, was? Haben Sie ihn schon kennengelernt, Chloe? Schicker Wagen. Glauben Sie, Dr. Lucy und ihr netter Dr. Carter werden heiraten, bevor das Baby da ist?“
„Wie bitte?“
„Sie haben euch beim Grillabend gesehen, Lucy. Davor hast du dich nie mit einem Mann blicken lassen, und danach auch nicht. Du gehst genauso selten aus wie ich. Aber in letzter Zeit wart ihr öfter zusammen. Und er hat Tregorran House gekauft. Diese besondere Neuigkeit ist rumgegangen wie ein Lauffeuer, und jeder außer deinem Vater denkt sich längst seinen Teil, warum Ben das getan hat.“
Lucy war wie vor den Kopf geschlagen. Plötzlich brannten Tränen in ihren Augen, und sie blickte hastig zur Seite. „Ich hatte keine Ahnung, dass so schlimm getratscht wird.“
„Oh, Lucy, wir leben in Penhally Bay. Versteh das nicht falsch, sie reden nicht aus Missgunst. Die Leute mögen dich und wünschen dir von Herzen, dass du glücklich wirst.“
Sie schluckte. „Das wünsche ich mir auch“, sagte sie kläglich.
„Na, komm, nicht den Mut verlieren.“ Chloe drückte sie kurz. „Hast du Lust, heute Abend zu mir zu kommen? Ich koche uns etwas Leckeres, ja?“
Spontan wollte sie zustimmen, schüttelte dann aber den Kopf. „Ich muss mit Ben reden. Mein Vater hat keinen Schimmer, aber wenn die Gerüchteküche weiterbrodelt, schnappt er irgendwann etwas auf.“
„Okay. Bestell Ben einen schönen Gruß von mir – er soll dich gut füttern und früh ins Bett verfrachten. Und morgen fährst du gleich ins Krankenhaus.“ Sie schnappte sich das Telefon. „Warte, ich rufe eben an.“
Gehorsam wartete Lucy. Ihre Gedanken fuhren Karussell. Wussten wirklich alle in Penhally Bay Bescheid?
„Ausgezeichnet, vielen Dank.“ Chloe legte auf. „Acht Uhr dreißig. Dann kannst du bei Ben bleiben und hast nicht so einen weiten Weg.“
„Herzlichen Dank, aber ich kann mein Leben selbst organisieren“, murrte Lucy.
Chloe lachte nur und öffnete ihr die Tür. „Davon bin ich überzeugt. Denk dran, ordentlich zu essen.“
„Du nervst.“ Lucy rang sich ein Lächeln ab und ging in den Personalraum.
Er war leer, aber jemand hatte die Tische zusammengeschoben und die Stühle drumherum gestellt. In der Mitte standen saubere Tassen und eine bunte Blechdose mit Hazels Ingwerkeksen.
Iss, hatte Chloe gesagt, also nahm sie sich einen. Wie immer himmlisch! Lucy kaute versonnen, schluckte und konnte nicht widerstehen. Sie griff noch einmal in die Dose.
Da klopfte es, und Ben kam herein.
„Hi!“ Sie war glücklich, ihn zu sehen.
Er schloss die Tür und zog Lucy in die Arme. „Wie geht es meiner Liebsten heute?“ Lächelnd blickte er ihr in die Augen und rieb seine Nase an ihrer.
Seufzend ließ sie den Kopf an seine Brust sinken. „Meine Hebamme hat mir gerade die Leviten gelesen. Ich soll mehr essen.“
„Habe ich’s dir nicht gesagt? Wo sind die viel gepriesenen Kekse?“
„In der Blechdose. Und bevor du fragst … ich hatte schon zwei. Außerdem muss ich morgen zum Ultraschall,
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