JULIA ARZTROMAN Band 26
einen Krankenwagen für Mr. Tew. Vermutlich ein Aortenaneurysma. Also Blaulicht, Sirene, das volle Programm. Und noch etwas, könnten Sie Marco oder Dragan bitten, einzuspringen? Mein Vater gibt gerade einen Geburtsvorbereitungskurs.“
„Natürlich. Ach, da kommt Ihr Vater gerade.“
„Vielen Dank. Dad, der alte Mr. Tew ist bei mir.“ Sie informierte ihn rasch. „Er ist dein Patient. Möchtest du ihn kurz untersuchen?“
„Nicht nötig. Ich vertraue deinem Urteil, Lucy. Wir wollen ihn nicht unnötig quälen.“ Nick öffnete die Tür zu ihrem Zimmer.„Hallo, Mr. Tew“,begrüßte er ihn munter.„Haben Sie mal wieder zu viel geschuftet? Wir rufen Ihnen sofort einen Krankenwagen. Lucy, du legst am besten einen Venenzugang“, riet er. „Oder lieber zwei. Und gib ihm Sauerstoff.“
„Wollte ich gerade. Danke, trotzdem.“ Ohne Probleme schob sie die Kanüle in die Handrückenvene und war wieder einmal dankbar für die Lehrzeit in der Notaufnahme. „So, das hätten wir.“ Sie richtete sich auf. „Was ist mit Ihrer Frau? Soll ich sie anrufen? Kann sie ins Krankenhaus kommen?“
Zum ersten Mal schien ihm zu dämmern, dass es ernst war. „Wie schlimm ist es, Doc? Kann mich das ins Jenseits befördern?“
„Ich hoffe nicht“, antwortete sie aufrichtig, ohne die Situation zu dramatisieren. Aufregung hätte ihm nur geschadet. „Aber die Operation ist aufwendig und wird eine Weile dauern. Wenn ich Ihre Frau wäre, würde ich Sie ins Jenseits befördern wollen, wenn Sie mir nicht Bescheid sagen.“
Das wettergegerbte Gesicht verzog sich zu einem angedeuteten Grinsen, und Charlie lachte rau auf. „Na, das wollen wir lieber nicht riskieren, mein Vögelchen. Rufen Sie sie an.“
Ohrenbetäubendes Sirenengeheul kündigte den Wagen schon von Weitem an, und dann sah Lucy das zuckende Blaulicht die Harbour Road entlangkommen. Zum zweiten Mal in dieser Woche kam Maggie Pascoe ihr zu Hilfe.
„Das Taxi ist da!“, rief sie und überließ es ihrem Partner Mike, die Rollliege hereinzuschieben. Maggie kümmerte sich zuerst um den Patienten. „Hallo, Charlie, mein Lieber. Was habe ich da gehört? Du zerrst Kühe aus dem Graben? Du hättest an der Straße stehen und Anweisungen geben sollen. Die Schwerarbeit kannst du doch Jüngeren überlassen.“
Charlie grinste. „Bist du überhaupt alt genug für den Führerschein?“, konterte er.
Maggie verdrehte die Augen. „Natürlich nicht. Ich habe den Wagen gerade geklaut, um eine kleine Spritztour zu machen. Egal, ich muss auch nicht fahren, sondern kann gemütlich hinten bei dir sitzen. So, es geht los. Finger weg, Lucy, du hebst gar nichts!“, befahl sie, als Lucy nach dem Laken griff, um mitzuhelfen.
Routiniert und zügig hoben sie Charlie auf die Rollliege, und zwei Minuten später raste der Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn die Straße entlang Richtung St. Piran.
Lucy rief Ben an, um ihn vorzuwarnen. „Er muss sofort operiert werden“, beendete sie ihren kurzen Bericht.
„Bist du sicher?“
„Ziemlich.“
„Okay, ich sorge dafür, dass ein OP frei ist. Und wir sehen uns nachher bei dieser Besprechung. Soll ich meine kugelsichere Weste unterziehen?“
Ihr Lachen klang ein wenig gezwungen. „Das wird nicht nötig sein. Wir können uns ja wohl wie Erwachsene benehmen. Ich sorge dafür, dass wir genug von Hazels Ingwerkeksen haben, um alle bei Laune zu halten. Notfalls können wir uns damit bewerfen, um Dampf abzulassen.“
„Nein, das wäre eine Sünde. Der legendäre Ruf dieser Kekse reicht bis ins St. Piran. Anscheinend füttert Hazel unsere Sanitäter damit.“
„Freu dich nicht zu früh. Wenn Dad die Dose findet, ist sie ruck, zuck leer.“
Ben lachte, verabschiedete sich und legte auf. Lucy verlor keine Zeit und drückte Chloes Knopf der Sprechanlage.
„Tut mir leid, ich wollte schon eher bei dir sein“, entschuldigte sie sich bei der Hebamme. „Aber ich hatte einen Notfall. Soll ich heute noch vorbeikommen oder nicht?“
„Wenn du es gleich schaffst, ja. Meine letzte Patientin ist gerade weg, du kannst raufkommen. Vergiss die Urinprobe nicht.“
„Wo denkst du hin?“
Bald darauf reichte sie Chloe MacKeinnon den Becher. „Hier“, flachste sie. „Frisch von der Quelle.“
Chloe machte den Test. „Alles in Ordnung.“ Sie maß Lucys Blutdruck. „Auch gut. Schön niedrig, so wie es sein soll. Ich habe dich ein paar Tage nicht gesehen. Du überarbeitest dich doch hoffentlich nicht? Wie geht’s dir, wie fühlst du
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