JULIA ARZTROMAN Band 26
als Versteck geeignet schienen, fand aber nichts. Sie ging ums Haus herum zum Hintereingang und wurde auf Anhieb fündig. Unter dem ersten Topf lag ein silbern glänzender Schlüssel.
Rasch schloss sie auf und entdeckte Edith halb liegend, halb an den Küchenschrank gelehnt.
„Edith!“ Sie kniete sich neben sie und strich ihr tröstend über die Wange.
„Oh, Dr. Lucy, ich bin so froh, Sie zu sehen. Ich habe das Telefon klingeln hören und konnte doch nicht rangehen. Gut, dass Sie gekommen sind. Sie hätten ja auch denken können, ich sei nicht zu Hause.“
Lucy hatte sich darauf verlassen, dass Edith ihr Bescheid gesagt hätte, wenn sie verhindert gewesen wäre. Und ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Das war der Vorteil davon, dass in Penhally Bay jeder jeden kannte.
„Bewegen Sie sich nicht. Ich werde Sie gleich untersuchen. Aber erst hole ich Ihnen ein Kissen und eine Decke.“ Sie eilte ins Schlafzimmer und kehrte mit den Sachen zurück.
Vorsichtig begann sie mit der Untersuchung.
„Au!“, schrie Edith auf, als Lucy ihr linkes Bein abtastete. „Das tut furchtbar weh. Ich glaube, ich habe mir das Knie angeschlagen. Kann sein, dass ich über die Katze gestolpert bin.“
Eine Katze war nirgends zu sehen, doch das Bein sah wirklich nicht gut aus. Ein dunkellila Bluterguss prangte auf dem dick geschwollenen Knie. Lucy wäre nicht überrascht gewesen, wenn Mrs. Jones sich die Kniescheibe gebrochen hätte.
„Erinnern Sie sich, wann Sie gestürzt sind?“, fragte sie sanft.
„Vor Stunden“, kam die vage Antwort.
Lucy rief einen Krankenwagen. Danach gab sie ihr ein Schmerzmittel und Sauerstoff, weil ihr Ediths Kurzatmigkeit nicht gefiel, und hielt ihre Hand, bis die Rettungssanitäter eintrafen.
Maggie Pascoe war zuerst am Haus, und Lucy öffnete ihr die Tür. Während ihrer Zeit am St. Piran hatte sie oft mit ihr zusammengearbeitet, und wie sie stammte auch Maggie aus Penhally Bay.
„Ihr habt Glück, wir hatten unten an der Straße geparkt, um einen Happen zu essen“, grüßte sie fröhlich. „Hallo, Edith, was haben Sie denn angestellt?“
„Zu dumm, ich weiß. Ich bin einfach hingefallen.“
„Keine Sorge, wir bringen Sie gleich ins Krankenhaus.“ Zügig hoben sie die alte Dame auf die Trage und brachten sie den Weg hinunter zum Wagen.
„Meine Katze!“, rief Edith ängstlich, kurz bevor die Türen sich hinter ihr schlossen. „Bitte, sagen Sie Sarah Pearce, sie möchte sich um sie kümmern. Sie wohnt in Nummer zwölf. Sie weiß, wo der Schlüssel liegt.“
„Mach ich“, versprach Lucy.
Sie schloss das Haus ab, legte den Schlüssel an seinen Platz und ging zur Nachbarin, um ihr von dem Notfall zu erzählen. Als sie wieder im Wagen saß, rief sie Ben an.
„Lucy, hi! Alles in Ordnung?“
„Ja, danke. Ich habe dir eine Patientin geschickt, Edith Jones.“ Kurz schilderte sie ihm ihre Beobachtungen. „Vermutlich eine Patella-Fraktur. Mrs. Jones leidet an Herzschwäche und gelegentlichen Herzrhythmusstörungen. Vielleicht klärt ihr kurz ab, ob sie einen kleinen Schlaganfall hatte, der zu dem Sturz geführt hat.“
„Okay, ich sehe sie mir mal an. Danke für die Info. Übrigens …“ Seine Stimme klang auf einmal ernst.„Dein Vater hat mich angerufen.“
Lucy fröstelte. „Wegen des Hauses?“
„Ja. Er war nicht gerade begeistert.“
„Ich weiß“, sagte sie leise. „Er kam heute Morgen in mein Sprechzimmer gestürmt und war ziemlich wütend. Zum Schluss sagte er, dann könnte er wenigstens sicher sein, nie wieder einen Fuß in dieses Haus setzen zu müssen.“
Fast hätte sie aufgeschluchzt. Sie presste die Lippen zusammen, um den Laut zu unterdrücken, aber Ben hatte gute Ohren. „Lucy, nicht“, bat er besorgt. „Darling, es tut mir so leid. Ich wollte es nicht noch schlimmer machen.“
„Hast du doch gar nicht“, wiegelte sie ab. „Das sind meine Hormone. Ich bin sentimental und wünsche mir, dass alles perfekt ist. Aber man kann nicht alles haben im Leben. Achte einfach nicht auf mich. Bis später, Ben.“
„Pass auf dich auf. Ich liebe dich.“
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und sagte nur: „Auch so. Bis dann.“
Auch so?
Was … pass auch auf dich auf? Oder … ich liebe dich auch?
Ben starrte auf das Telefon und legte dann langsam den Hörer auf. Wie lange sollte das noch so weitergehen? Warum konnte ihr Vater die Tatsachen nicht akzeptieren?
Auf seinem Weg nach vorn kam er am Schockraum vorbei. Er war leer, aber Ben sah Annabel
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