JULIA ARZTROMAN Band 26
„Wie kommst du denn auf die Idee?“
„Bitte, Marco, lass uns keine Spielchen spielen. Das bringt uns auch nicht weiter. Glaub mir, es war besser so, dass ich gegangen bin – für uns beide.“
„Du hast mich verlassen. Unsere Ehe besteht nur noch auf dem Papier. Bist du sicher, dass der Ausdruck verärgert …“ Sein Akzent verstärkte sich. „… das ausdrückt, was ich fühle?“
Amy spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Ehrlich gesagt hatte sie nie richtig gewusst, was er empfand. Zu keinem Zeitpunkt ihrer Beziehung. Und seine Reaktion auf ihre Abreise hatte sie ja nicht mitbekommen. Sie hatte damit gerechnet, dass er sich aufregte, weil sie ihn dem Klatsch und Tratsch einer kleinen Gemeinde aussetzte. Oder weil sie seine Zukunftspläne über den Haufen geworfen hatte. Aber nicht, weil er sie liebte. Was hatte sie einem Mann wie Marco Avanti schon zu bieten?
Nichts.
Vor allem, nachdem sie herausgefunden hatte, dass …
Amy verscheuchte den Gedanken. Damit konnte sie sich jetzt nicht befassen. Sie hob das Kinn. „Ich verstehe, dass du wütend bist, aber ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten. Wir können es uns leicht machen oder schwer.“
„Du machst es dir natürlich leicht“, konterte er vorwurfsvoll. „Du verschwindest lieber, anstatt nach einer Lösung für das Problem zu suchen. Großartig, Amy.“
„Nicht jedes Problem lässt sich so einfach lösen, Marco!“ Frustriert biss sie sich auf die Lippe. Wenn sie nicht aufpasste, verriet sie mehr, als ihr lieb wäre. „Sicher bist du ärgerlich, aber wir müssen jetzt über die Zukunft reden. Du brauchst nur in die Scheidung einzuwilligen, dann bist du frei und in der Lage …“ Eine andere Frau zu heiraten, wollte sie hinzufügen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.
„ Accidenti – verdammt –, verstehe ich dich richtig? Du platzt in meine Sprechstunde, um die Scheidung zu verlangen?“ Marco erhob sich schwungvoll. Seine dunklen Augen sprühten Blitze. „Schlimm genug, dass ich heute für jede Diagnose nicht mehr als fünf Minuten Zeit habe. Jetzt hat auch noch meine Frau beschlossen, in dieser lächerlich kurzen Zeitspanne unsere Ehe zu beenden. Das ist ein Witz, oder?“
Amy hatte vergessen, wie groß er war. Beeindruckend groß. Marco maß knapp einen Meter neunzig, und er hatte breite, muskulöse Schultern. Sie unterdrückte das Bedürfnis, draußen bei Kate Schutz zu suchen, und wappnete sich. „Nein, ist es nicht, und wenn ich dich bei der Sprechstunde störe, bist du selbst schuld. Du hast ja nicht auf meine Briefe reagiert. Wie sollte ich dich erreichen? Außerdem, das hier dauert nicht lange.“
Als er die Schreibtischkante packte, schimmerten seine Knöchel durch die bronzene Haut. „Glaubst du wirklich, dass du sang- und klanglos verschwinden, genauso plötzlich wieder auftauchen und nach einer fünfminütigen Unterhaltung meine Einwilligung zur Scheidung bekommst?“ Er erhob die Stimme. „Ist das tatsächlich dein Ernst?“
Amy zuckte zusammen. Die heftige Reaktion überraschte sie. „Du brauchst nicht zu schreien. Hinter der Tür dort sind Patienten. Das gibt nur Tratsch.“
„Ach! Findest du nicht, dass es ein bisschen spät ist, sich deswegen Sorgen zu machen?“ Marco musterte sie grimmig und ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Mit beiden Händen fuhr er sich durch das schimmernde schwarze Haar. Einige Strähnen fielen ihm wieder in die Stirn, und Amy hielt unwillkürlich den Atem an.
Die Sehnsucht, ihn zu berühren, war so stark, dass sie die Hände hinter dem Rücken verschränkte.
Marco schien ihren inneren Kampf zu erahnen. Seine Augen verdunkelten sich, sein Blick senkte sich in ihren, und plötzlich lag ein gefährliches Knistern in der Luft. Wie gebannt sah sie ihn an. Die aufgeladene Atmosphäre sagte mehr als tausend Worte. Amy spürte, wie ihr Körper reagierte … das erregende Prickeln in ihrem Bauch, die Wärme, die ihre Schenkel durchströmte …
Die starke Anziehungskraft, die von Anfang an zwischen ihnen geherrscht hatte, hatte nichts von ihrer Magie verloren.
Und das bedeutete, dass sie von hier verschwinden musste, und zwar schleunigst. Amy versuchte, das verräterische Pochen tief in ihrer Mitte zu ignorieren, und trat den Rückzug an.
„Marco, es ist vorbei“, zwang sie sich zu sagen. „Lass es uns nicht schmerzvoller machen, als es ist.“
„Als du es gemacht hast, meinst du wohl.“
Da ging die Tür auf, und Kate eilte herein. „Marco, du musst
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