JULIA ARZTROMAN Band 26
Watsons nicht zuzugehen.
„Sie ist ja jetzt bei uns, und das ist das Wichtigste.“ Ruhig griff Marco nach dem Pulsoximeter und schob es auf den Finger der Kleinen. „So, Michelle, du kuschelst jetzt ein bisschen mit deiner Mama, damit ich dich untersuchen kann. Gleich kannst du besser atmen, tesoro .“
Tesoro … mein Schatz.
Amy versuchte nicht daran zu denken, dass er sie in glücklicheren Zeiten auch so genannt hatte. Sie deutete auf das Pulsoximeter. „Nettes Gerät“, sagte sie. Es war typisch für Marco, dass er mit den besten Hilfsmitteln ausgestattet war.
„Es sagt mir schnell und zuverlässig, was ich wissen muss.“ Marco blickte zu Carol hinüber. „Das Oximeter misst die Sauerstoffsättigung im Blut. Der Wert ist zu niedrig. Ich werde ihr etwas geben, um ihr die Atmung zu erleichtern.“
Blass und angespannt erwiderte sie seinen Blick. „Wieder ihr Asthma?“
„ Sì . Die Erkältung kann der Auslöser gewesen sein.“ Geschickt schloss er die Sauerstoffmaske an das Mundstück der Inhalationshilfe an. „Michelle, ich lege dir eine Maske auf Mund und Nase, und du atmest einfach ganz normal. Braves Mädchen, so ist es gut.“
Angstvoll starrte sie ihn an. Schnelle rasselnde Atemzüge verrieten, wie sehr sie um den lebensnotwendigen Sauerstoff kämpfte.
Carol rieb ihr den Rücken. „Schsch, schon gut, Darling. Dr. Avanti wird dir helfen. Das tut er immer, das weißt du doch.“
Die Kleine fasste sich ans Gesicht und versuchte, die Maske wegzuzerren. Marco nahm ihre Hand und hockte sich hin. „Nicht, cucciola mia . Das ist eine Zaubermaske, die dir beim Atmen hilft.“ Er streichelte die kleine pummelige Hand und sah Carol an. „Was ist ihr Lieblingsmärchen?“
„Märchen? Ich … ich weiß nicht …“
„Dornröschen“, murmelte Lizzie.
Erstaunt sah Amy zu ihr hinüber. Die kleine Halbschwester schien ihr also doch nicht ganz egal zu sein.
Amy ahnte, was Marco vorhatte, und machte sich daran, alles für einen intravenösen Zugang bereitzulegen. Dann nahm sie Hydrocortison aus dem Schrank.
„Dornröschen, also? Das ist auch meine Lieblingsgeschichte.“ Marco schenkte Lizzie ein Lächeln, das auch eine trotzige Königstochter betört hätte, und strich Michelle die blonden Locken aus der Stirn. „Dann erzähle ich dir, wie ich sie kenne. Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin. Sie hieß Michelle und lebte in einem herrlichen Schloss am Meer. Amy?“
Er senkte die Stimme. „Kannst du mir fünfzig Milligramm Hydrocortison intravenös vorbereiten? Ich würde es ja oral verabreichen, aber wenn sie erbricht, müssen wir es sowieso i. v. geben.“
Ihr Streit schien vergessen. Sie reichte ihm das Gewünschte, während er bereits weitererzählte.
„Der König und die Königin liebten ihre kleine Prinzessin Michelle von Herzen und wollten ihr zu ihrem Geburtstag ein riesiges Fest geben.“ Sein italienischer Akzent umschmeichelte die Worte und beruhigte das Kind. Es sah ihn an, sichtlich gespannt, wie es weitergehen würde. „Und Prinzessin Michelle lud alle ihre Freunde ein und auch ihre große Schwester Lizzie, die ihr von allen die liebste Freundin war.“ Marco hob den Kopf und lächelte Lizzie zu. Verlegen senkte das junge Mädchen den Blick.
„Michelle, gleicht piekt es ein bisschen. Ich gebe dir noch mehr Zaubermedizin, damit es dir besser geht.“ Geschickt schob er die feine Nadel in die Handvene. Die Kleine wimmerte leicht, und Marco nahm die Spritze, prüfte die Ampulle und injizierte das Serum. Dabei erzählte er seine Geschichte weiter, als sei nichts gewesen. „Es wurde eine fröhliche Geburtstagsparty, wie sie lange keiner erlebt hatte. Alle hatten sich besonders hübsch angezogen, es wurde getanzt und gelacht, und Prinzessin Lizzie begegnete einem gut aussehenden Prinzen.“
„Bestimmt nicht in Penhally Bay, diesem langweiligen Kaff“, murmelte Lizzie vor sich hin und fing wieder an zu husten.
Marco ließ die leere Spritze auf das Tablett fallen. Als er antwortete, lag ein amüsierter Ausdruck in seinen dunklen Augen. „Der Prinz war inkognito auf dem Weg zu seinem Schloss.“
Und tatsächlich – Lizzie lächelte widerstrebend.
Er ist unglaublich, dachte Amy hilflos. Bezaubert mit seinem südländischen Charme jedes weibliche Wesen im Raum und behandelt gleichzeitig eine ernste Asthma-Attacke, als sei es ein Kinderspiel.
Wer auch immer behauptete, Multitasking und Männer seien der Gegensatz schlechthin, der hatte Marco noch nicht bei einem
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