Julia Arztroman Band 62
kleine Prinzessin, gleich bekommst du einen richtigen Thron.“
Gina setzte sich. Sie war froh über die kurze Verschnaufpause. Marco hatte bereits festgelegt, wie seine Rolle aussehen würde, das durfte sie nicht vergessen. Der größte Fehler wäre zu glauben, er könnte mehr für sie werden als Lilys Vater.
Ein ernüchternder Gedanke, aber er wirkte. Als Marco mit dem Stuhl zurückkehrte, hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Sie stand auf, um Lily in den Stuhl zu setzen, doch Marco kam ihr zuvor.
„Darf ich das machen?“
„Natürlich.“
Gina biss sich auf die Lippe, als er Lily von ihrem Schoß hob. Er wirbelte das kleine Mädchen durch die Luft und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, ehe er es in den Stuhl setzte. Lily, die Marcos Aufmerksamkeit sichtlich genoss, krähte vor Vergnügen. Dass sie Marco so schnell akzeptiert hatte, überraschte Gina, denn normalerweise war ihre Tochter Fremden gegenüber eher scheu. Spürte sie etwa unbewusst, dass Marco ihr Vater war? Im nächsten Moment meldete sich auch schon Ginas schlechtes Gewissen. Wäre Marco nicht plötzlich wieder in ihrem Leben aufgetaucht, hätte sie Lily die Möglichkeit versagt, ihren Vater kennenzulernen.
„Ich glaube, so ist es richtig“, meinte Marco, nachdem er Lily umständlich in dem Kinderstuhl festgeschnallt hatte. „Diese Dinger sind viel komplizierter, als sie aussehen.“
Er lächelte Gina breit an, und ihr Herz machte einen Satz, als sie die Freude in seinen Augen sah. Es bestand kein Zweifel daran, dass ihm alles genauso viel Spaß machte wie Lily. Das hatte Gina nicht erwartet, zumal er sonst so zurückhaltend mit seinen Gefühlsäußerungen war.
„Ja, das Aufklappen eines Kinderwagens oder die verschiedenen Sicherheitsgurte bergen mitunter ungeahnte Tücken“, erwiderte sie leichthin.
„Na, das kann ja heiter werden“, meinte er lachend und erregte so die Aufmerksamkeit der zwei jungen Frauen am Nebentisch. Gina sah, dass die beiden die Köpfe zusammensteckten. Sie konnte sich gut vorstellen, worüber sie gerade tuschelten. Schließlich sah Marco aus wie der sprichwörtliche Latin-Lover, und es durfte sie nicht wundern, dass er die Blicke der Frauen auf sich zog. Aber es ärgerte sie trotzdem. Sie war doch nicht etwa eifersüchtig?
„Du wirst das schon hinkriegen“, erwiderte sie abwesend.
„Und wenn nicht, kann ich dich ja um Hilfe bitten“, sagte er mit einem warmen Blick, der Ginas Puls in die Höhe schnellen ließ. Rasch sah sie weg und schlug die Speisekarte auf. Unsinn, Marco flirtete nicht mit ihr! Er war einfach nur freundlich. Obwohl es sich ganz anders anfühlte …
„Und, was möchtest du essen?“ Er beugte sich über ihre Schulter, um ebenfalls einen Blick in die Karte zu werfen, woraufhin Ginas Herz einen solchen Satz machte, dass sie unwillkürlich aufstöhnte.
„Was hast du denn?“, fragte er besorgt und schaute ihr direkt in die Augen, was das Ganze noch verschlimmerte.
„Ich … äh … Ich habe mir nur das Knie am Tisch angestoßen“, murmelte sie. „Egal, ich glaube, ich nehme den Hühnersalat.“
„ Bene. Und Lily?“
Marco fuhr mit dem Finger die Karte entlang, bis er zu den Kindergerichten kam. Gina folgte seinem Finger und ermahnte sich, nicht ständig an die vielen Male zu denken, als diese Finger sie zärtlich gestreichelt hatten. Das hier war ein ganz normales Familien-Mittagessen und nicht der Auftakt zu einem leidenschaftlichen Nachmittag im Bett!
„Fischstäbchen mit Pommes“, sagte Gina schnell und grinste schief, als er die Brauen hob. „Das ist Lilys Lieblingsessen.“
„Gut, dann Fischstäbchen. Obwohl ich hoffe, dass ich sie eines Tages davon überzeugen kann, dass Pasta viel besser schmeckt.“
Wieder schenkte er ihr diesen warmen Blick, doch diesmal war sie vorbereitet. „Versuchen kannst du es ja. Aber erwarte nicht zu viel. Lily weiß genau, was sie will und was nicht.“
„Wir dürfen sie natürlich nicht drängen, etwas Neues auszuprobieren, da hast du ganz recht, Gina.“
Während Marco zur Theke ging, um ihre Bestellung aufzugeben, überlegte Gina, warum sie schon wieder erschauerte. War es dieser unbewusste Gebrauch des Wortes „wir“, der sie beunruhigte? Marco schien es für selbstverständlich zu halten, dass sie zukünftig noch viele gemeinsame Ausflüge unternahmen. Aber würde er auf Dauer damit zufrieden sein, seine Freizeit mit einem kleinen Mädchen zu verbringen, wenn das Leben so viel Aufregenderes zu bieten hatte?
Gegen drei
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