Julia Arztroman Band 62
warf sich über den Jungen, um ihn zu schützen, und schon im nächsten Moment prasselten die ersten Betonbrocken auf sie nieder. Einer davon traf Gina am Hinterkopf, und sie sackte in sich zusammen. Ihr letzter Gedanke, ehe sie das Bewusstsein verlor, galt Marco.
Warum habe ich ihm nicht gesagt, dass ich ihn liebe?
Marco war gerade mit einem Neuzugang beschäftigt, als er die Unruhe draußen im Flur bemerkte. Er drehte sich um und sah Julie in der Tür stehen, die Hand vor den Mund gepresst. Da muss etwas passiert sein, dachte er, entschuldigte sich bei dem Patienten und lief hinaus.
„Gina“, stammelte Julie mit Tränen in den Augen. „Sie ist verletzt.“
„Verletzt?“
„Ja. Es ist wieder ein Teil vom Dach eingebrochen, und Gina war anscheinend dort, als es passierte. Sie haben sie unter den Trümmern herausgeholt und in die Notaufnahme gebracht …“
Mehr musste Marco nicht hören. Gina war verletzt, und er musste zu ihr! Er rannte los.
„Ihr habt Gina Lee hier. Wo ist sie?“, rief er ins Stationszimmer der Notaufnahme.
„Im Schockraum“, antwortete eine Schwester, doch Marco war schon wieder verschwunden.
Halb wahnsinnig vor Angst riss er Sekunden später die Tür zum Schockraum auf, wo nur Patienten in äußerst kritischem Zustand lagen. Ohne sich um die erstaunten Blicke des Pflegepersonals zu kümmern, sah er sich hektisch im Raum um und entdeckte schließlich Gina in einem Bett hinten an der Wand. Bei ihrem Anblick wurde ihm flau im Magen. Sie wirkte so klein und schutzlos unter all den Schläuchen und Kabeln, die an ihrem Körper angeschlossen waren. Panik ergriff ihn, als er zu ihrem Bett ging.
„Wie geht es ihr?“, fragte er den Oberarzt, der am Nachbarbett stand, und beugte sich über Gina. Ihre Augen waren geschlossen. Er bemerkte eine Schwellung an ihrer Stirn, aber ansonsten schien sie unverletzt.
„Ganz gut“, erwiderte Simon Rutherford fröhlich. „Ein Teil der eingestürzten Decke hat sie am Kopf getroffen, daher vermute ich eine Gehirnerschütterung. Aber ich habe keine Schädelfrakturen festgestellt, und es gibt bisher auch keine Anzeichen für innere Verletzungen. Unsere Kollegin hat wirklich Glück gehabt!“, setzte er hinzu und wandte sich wieder seinem Patienten zu.
Mit zitternden Fingern nahm Marco Ginas Hand und führte sie an seine Lippen. Er war halb verrückt vor Angst gewesen, sie zu verlieren, aber das Allerschlimmste war der Gedanke, dass er ihr nicht gesagt hatte, wie sehr er sie liebte. Er war feige gewesen, hatte seine Gefühle verschwiegen und sich der Liebe verweigert, und das alles nur, weil er Angst davor gehabt hatte, noch einmal verletzt zu werden. Aber diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen.
„Marco?“
Gina schlug die Augen auf. Die Art, wie sie ihn ansah, machte ihn unglaublich glücklich. Er beugte sich zu ihr, küsste sie auf den Mund und merkte, wie das Glücksgefühl sich noch verstärkte, als sie seinen Kuss erwiderte. Es war ihm gleichgültig, dass sie in seinem Gesicht lesen konnte wie in einem offenen Buch, als er sich wieder aufrichtete. Die Zeit, als sie sich belogen hatten, war endgültig vorbei.
„Ich liebe dich, Gina“, sagte er schlicht.
„Und ich liebe dich, Marco.“ Sie lächelte direkt in seine Augen. „So, jetzt ist es heraus. Wenn mir jetzt noch ein Stück Decke auf den Kopf fällt, habe ich dir wenigstens die Wahrheit gesagt.“
Er lachte. „Glaub mir, es ist das Schönste, was ich seit Langem gehört habe.“
„Wirklich? Bist du dir da sicher?“ In ihrem Blick lag ein leiser Zweifel.
„Ja, ganz sicher. Ich habe lange gebraucht, um mir meine Gefühle einzugestehen, aber jetzt halte ich daran fest. Ich liebe dich, tesoro , und es macht mich unheimlich glücklich, dass du mich auch liebst.“
„Gut. Das wird das Leben sehr viel einfacher machen, meinst du nicht?“ Sie kicherte. „Eigentlich hatte ich mir meine Liebeserklärung ganz anders vorgestellt.“
„Ach, du wolltest mir deine Liebe schon vor dem Unfall gestehen?“ Er lächelte erleichtert. „Das beruhigt mich.“
„Warum?“
„Weil ich schon Angst hatte, der Schlag auf den Kopf könnte etwas damit zu tun haben.“
„Das mag schon sein“, erwiderte sie frech. „So ein Schlag auf den Kopf kann eine Menge merkwürdiger Dinge auslösen.“
„Wem sagst du das?“ Er küsste sie abermals. „Wenn ich mir vorher nicht meinen Kopf angeschlagen hätte, wäre ich dir nie wieder begegnet.“
„Glaubst du, da hatte das Schicksal seine
Weitere Kostenlose Bücher