Julia Arztroman Band 62
Tränen als später die große Enttäuschung, wenn Marco der Rolle des fürsorglichen Vaters überdrüssig werden würde. Dass die kleine Stimme in ihrem Ohr immer wieder darauf bestand, dass das weniger wahrscheinlich wäre, wenn sie Marco heiratete, überhörte Gina geflissentlich. Sie würde Marco nicht heiraten, unter keinen Umständen!
11. KAPITEL
Die folgenden Tage gehörten für Marco zu den schlimmsten seines Lebens. Gina weigerte sich, über irgendetwas anderes als die Arbeit mit ihm zu sprechen. Die Stimmung zwischen ihnen war so angespannt, dass die Kollegen bereits zu tuscheln begannen. Und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er die verfahrene Situation ändern könnte.
Gina hatte seinen Heiratsantrag völlig falsch verstanden. Er hatte ihr helfen wollen, doch stattdessen hatte er sie tief verletzt. Warum hatte er nicht zugegeben, dass es ihm bei dem Wunsch, sie zu heiraten, nicht allein um Lilys Wohl ging? Warum hatte er praktische Gründe vorgeschoben, anstatt Gina zu sagen, dass er mit ihr zusammenleben und Lily ein guter Vater sein wollte? Weil er merkte, dass er seinen Gefühlen für Gina hilflos ausgeliefert war, und weil ihm das Angst machte, gestand er sich ein.
Doch wenn er geglaubt hatte, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte, hatte er sich getäuscht. Er war gerade im Ärztezimmer, als das Telefon klingelte. Es war die Oberin des Pflegeheims, in dem seine Großmutter lebte. Mit knappen Worten informierte sie ihn, dass die alte Dame eine schwere Lungenentzündung habe und es ihr sehr schlecht ginge.
Marco bedankte sich für den Anruf und legte auf. Seine geliebte Nonna. Er könnte es sich nie verzeihen, wenn sie starb, ohne dass er noch einmal bei ihr gewesen war. Kurz entschlossen buchte er den nächsten Flug nach Florenz, informierte die Verwaltung, dass er aus familiären Gründen Urlaub nehmen müsse, und machte sich auf die Suche nach Gina.
Er fand sie weder auf der Station noch wussten ihre Kolleginnen, wo sie steckte. Julie bot ihm an, Gina Bescheid zu sagen, doch er würde sie später anrufen. Er wollte nicht, dass sie sich über Dritte verständigten.
Auf dem Weg zum Flughafen und später in Florenz versuchte er mehrmals, sie zu erreichen und hinterließ etliche Nachrichten auf ihrer Mailbox, doch Gina rief nicht zurück. Marco war völlig verzweifelt. Er wollte sich nicht so einfach aus Lilys Leben drängen lassen. Das ertrug er nicht! Und er ertrug es auch nicht, dass Gina ihn aus ihrem Leben drängte. Vielleicht war es ein Risiko gewesen, dass er sich erlaubt hatte, sich in sie zu verlieben … Doch das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, war noch viel schlimmer.
Um Lilys willen versuchte Gina in den folgenden Tagen so zu tun, als ob nichts passiert wäre. Dass Marco nicht da war, hätte ihr dabei helfen müssen, doch seltsamerweise war es nicht so. Sie vermisste ihn und sah keinen Grund, sich etwas vorzumachen.
Auch Lily schien ihn zu vermissen. Als sie am Samstag wie üblich auf den Spielplatz gingen, wollte die Kleine unbedingt wissen, warum Marco nicht mitgekommen war. Gina erklärte ihr behutsam, dass er verreisen musste, doch das Zittern von Lilys kleiner Unterlippe sprach Bände. Es zeigte Gina, dass sie Marco nicht so einfach aus ihrem Leben verbannen konnte, wie sie gedacht hatte. Das wäre Lily gegenüber nicht fair. Nein, sie mussten eine Vereinbarung treffen, damit er Lily sehen konnte – aber mehr auch nicht. Eine Hochzeit stand überhaupt nicht zur Debatte.
Marco wachte tagelang am Krankenbett seiner Großmutter. Niemand hatte daran geglaubt, dass die alte Dame sich von ihrer beidseitigen Lungenentzündung erholen würde, doch am Ende der Woche saß sie aufrecht im Bett und verlangte nach ihrem Lieblingsessen. Früh am Freitagmorgen flog Marco zurück nach London und fuhr anschließend direkt ins Krankenhaus. Die erste Person, die ihm dort begegnete, war Gina.
„Guten Morgen“, sagte er und spürte, dass sein Herz auf einmal schneller schlug. Er hatte sie so vermisst. Sie war ein solch wichtiger Teil seines Lebens geworden, dass er sich eine Zukunft ohne sie nicht mehr vorstellen konnte. Der Gedanke schockierte ihn derart, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass sie mit ihm sprach. „Entschuldige … Was hast du gesagt?“
„Ich fragte, wie es deiner Großmutter geht.“
„Oh, Nonna geht es wieder viel besser.“ Er lächelte Gina an. „Dann hast du meine Nachrichten bekommen.“
„Ja.“
Mehr sagte sie nicht. Sie erklärte auch nicht,
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