Julia Arztroman Band 62
nickte und meinte mitfühlend: „Ein Grund mehr mitzukommen, oder?“
Lächelnd erwiderte Libby: „Du hast mich gerade zu zwei Wochen Spanien überredet, aber keinen Tag länger. Unser Seniorpartner John Gallagher geht Ende des Monats in den Ruhestand, und ich habe die Praxis übernommen. Eigentlich hat er schon so gut wie aufgehört, doch wenn ich ihn bitte, noch einmal für zwei Wochen das Zepter zu übernehmen, damit ich in Urlaub fahren kann, wird er das ganz bestimmt tun.“
Während sie jetzt im Mondschein an den Bergen vorbeifuhr, fühlte Libby sich nach ihrer Auszeit mit Sonne, Strand und Meer viel besser als vorher. Aber wie immer wärmte ihr die Rückkehr nach Swallowbrook und zu ihrem Häuschen, das der Praxis genau gegenüberlag, auch das Herz.
Das Praxisgebäude war früher ihr Elternhaus gewesen, ein Bauernhof. Noch zu ihrer Teenagerzeit war er jedoch verkauft worden, weil ihr Vater den Hof nach dem frühen Tod ihrer Mutter vernachlässigt hatte. Und nun war darin das medizinische Zentrum des Dorfes untergebracht.
Als der Mietvertrag der alten Praxis ausgelaufen war und ein neuer Standort gefunden werden musste, fiel die Wahl auf das große Bauernhaus. Äußerlich blieb es fast unverändert, doch innen war es vollständig modernisiert worden und diente nun der medizinischen Versorgung der Landbevölkerung von Swallowbrook und Umgebung.
Beim Einzug vor sechs Jahren hatte John Gallagher als Seniorpartner zusammen mit seinem Sohn Nathan hier gearbeitet. Zwei Jahre später war Libby nach ihrem Medizinstudium auch noch dazugekommen.
Im Gegensatz zu ihr hatte Nathan dann allerdings das Fernweh gepackt. Er war drei Jahre älter als sie, und schon als junges Mädchen hatte sie für den dunkelhaarigen, dynamischen Arzt mit den dunklen Augen geschwärmt. Er war einer der Gründe, weshalb sie in die Gemeinschaftspraxis eintrat. Der zweite lag darin, dass das Gebäude früher ihr Elternhaus gewesen war. Daher hatte sie ein leer stehendes Bauernhäuschen ganz in der Nähe auf der anderen Straßenseite gekauft.
Als Libby in die Praxis kam, hatte Nathan festgestellt, dass aus ihr eine schlanke blonde Frau geworden war, mit samtbraunen Augen und dem schönsten Lächeln, das er je gesehen hatte. Sie hatten ein wenig miteinander geflirtet, aber mehr nicht.
Immerhin hatte er alle Hände voll zu tun mit seiner Verlobten, die auf eine Heirat drängte und möglichst bald einen Goldring neben dem Diamantsolitär an ihrem Finger sehen wollte. Woraufhin Nathan das Gefühl bekam, die Verlobung sei ein Fehler gewesen, da er längst nicht so scharf auf diese Idee war wie sie.
Als er Libby mitteilte, dass er ins Ausland gehen würde, um dort zu arbeiten, war sie am Boden zerstört.
„Meine Verlobung ist geplatzt. Ich bin also frei, um in Afrika zu arbeiten, was ich schon immer tun wollte“, sagte er zu ihr. „Ich habe eine Stelle an einem Krankenhaus in einer kleinen Stadt angenommen, wo Ärzte dringend gebraucht werden.“
Sie wurde blass. „Wie lange wirst du weg sein?“
„Solange, wie es eben dauert, nehme ich an. Aber mein Vertrag geht über drei Jahre.“ Dann fügte er locker hinzu: „Warum kommst du nicht mit? Es gibt dort immer einen Bedarf an Ärzten.“
„Nein, danke“, erwiderte Libby. „Es wäre deinem Vater gegenüber nicht fair, wenn wir beide gleichzeitig weggehen. Außerdem muss ich mich auch um meinen Vater kümmern, den es immer noch sehr wurmt, dass er den Hof verkaufen musste. Abgesehen davon ist es immer mein Traum gewesen, dort zu arbeiten, wo ich herkomme. Ich habe das Gefühl, es unserer Gemeinde schuldig zu sein.“
Als Libby um die nächste Kurve bog, lag Swallowbrook im Mondschein vor ihr, eine vertraute Ansammlung von Häusern aus dem grauen Sandstein dieser Gegend. Vor dem Dorfpub „The Mallard“ saßen einige Wandertouristen und Dorfbewohner auf den Holzbänken und tranken einheimisches Bier.
Nicht weit davon entfernt, eine kleine Seitenstraße hinunter, lag die Gemeinschaftspraxis von Swallowbrook und genau gegenüber Lavender Cottage, wo Libby in letzter Zeit nach langen, anstrengenden Tagen viel zu viele einsame Nächte verbracht hatte.
Es handelte sich um ein Doppelhaus, dessen andere Hälfte schon eine ganze Zeit lang leer gestanden hatte. Als Libby jetzt in ihre Einfahrt einbog, war sie überrascht, dort einen Möbelwagen von einem der großen Geschäfte in der nahegelegenen Stadt zu sehen, der gerade losfuhr.
Immerhin war es zehn Uhr abends. Normalerweise wurde so
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