Julia Arztroman Band 62
lächelnd zu ihr auf. „Onkel Nathan fragt, ob Sie Lust haben, mit uns zu essen?“
Kluger Onkel, dachte sie. Er wusste, dass sie nicht ablehnen würde, wenn Toby die Einladung überbrachte.
Da der Kleine erwartungsvoll zu ihr hochblickte, sagte sie: „Ja, das wäre sehr nett, Toby. Wann soll ich denn kommen?“
Er griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich. „Jetzt gleich.“
„Es gibt heute Fischstäbchen und Eis“, erklärte Nathan, als sie zögernd in der Küchentür stand. „Das hat Toby sich zur Feier seines ersten Schultags gewünscht.“ Nur für ihre Ohren bestimmt, setzte er leise hinzu: „Zum Glück hat es ihm gut gefallen.“
„Ich kann mir vorstellen, wie erleichtert du darüber bist“, antwortete sie mit einem Blick zu dem Jungen, der in den Garten gegangen war, um dort bis zum Essen noch Ball zu spielen.
Nathan nickte und fragte dann: „Was hältst du von meinem Versuch, ihm hier ein Zuhause zu schaffen?“
Libby sah sich um. „Es ist schön. Genau die richtige Mischung aus Luxus und Gemütlichkeit.“
„Das war mein Ziel“, meinte er. „Von beidem gab’s in Afrika nicht viel, und in London haben wir in einem kleinen gemieteten Apartment gewohnt, während ich den Nachlass seiner Eltern geregelt habe. Jetzt, da er seinen ersten Schultag hinter sich hat und wir uns nach und nach hier einleben, hoffe ich, dass wir bald Teil der Dorfgemeinschaft werden, so wie ich es früher auch war.“
„Als Arzt wirst du sowieso ganz schnell ein Teil der Gemeinschaft“, erwiderte Libby. „Oder hast du es dir wegen morgen doch anders überlegt?“
„Nein, natürlich nicht. Ich freue mich drauf, auch wenn du es nicht tust.“
Er bemerkte, wie ihr die Farbe in die Wangen stieg, wodurch sie nur noch schöner wurde. Aber sie hatte sehr deutlich gemacht, dass ihr Verhältnis sich auf das rein Berufliche beschränken würde. Was Nathan nach dem Vorfall damals wahrscheinlich nicht anders verdient hatte.
Doch er allein kannte die Wahrheit über das katastrophale Ende seiner Beziehung, die ihn dazu veranlasst hatte, im Ausland zu arbeiten. Noch immer schauderte ihn bei dem Gedanken daran. Dass Libby damals am Flughafen die Nachwehen zu spüren bekommen hatte, belastete nach wie vor sein Gewissen.
Die gescheiterte Verlobung mit Felice Stopford hatte ihn in Bezug auf die Liebe misstrauisch gemacht. Damals hatte er nicht verstanden, was echte Liebe war. Und deshalb hatte er auf Libbys Geständnis so abwehrend reagiert.
Für Felice bedeutete Liebe Geld und eine hohe gesellschaftliche Position, teure Geschenke, exklusive Restaurants, Fernreisen und Luxushotels. Ungefähr zur selben Zeit, als Libby in die Praxis eintrat, hatte Nathan gemerkt, dass Felice wohl nicht die Richtige für ihn war.
Er hatte sie bei einem Wohltätigkeitsessen kennengelernt, wo man ihn gebeten hatte, einen Vortrag über Gesundheitsvorsorge zu halten. Mit ihrer Erscheinung stach sie aus dem sonst so nüchtern gekleideten Publikum hervor. Dunkelhaarig, mit üppigen Kurven und ausgesprochen charmant, war sie nach dem Vortrag gleich auf ihn zugekommen und hatte sich als amerikanische Spendensammlerin vorgestellt, die in den Staaten ähnliche Organisationen vertrat.
Ihre Lunch-Einladung war der Beginn einer Romanze, die mit Hochgefühlen begann und in tiefer Enttäuschung endete, weil Nathan feststellte, dass sie völlig unterschiedliche Wertvorstellungen hatten. Bei näherem Kennenlernen fand er Felice habgierig und oberflächlich und fühlte sich in der Beziehung zunehmend unbehaglich, da sie darauf drängte, ihn zu heiraten.
Nachdem er die Verlobung schließlich gelöst hatte, war Felice wütend in die USA zurückgekehrt. Kurz danach hörte er von einem ihrer Kollegen, dass zu Hause ein liebevoller, älterer Ehemann auf sie wartete, den sie möglichst schnell loswerden wollte, um freie Bahn für jemanden wie Nathan zu haben.
Diese Nachricht empfand er als ungeheuer abstoßend. Er fühlte sich benutzt und beschloss, ins Ausland zu gehen, was er eigentlich auch schon zuvor geplant hatte. Ausgerechnet in diesem Augenblick hatte Libby ihm ihre Gefühle offenbart. Felice hatte ihn der Liebe gegenüber misstrauisch gemacht, und Libby war diejenige, die letztendlich darunter leiden musste. Das Mindeste, was Nathan jetzt für sie tun konnte, war, sich an ihre Regeln zu halten und ihre Wünsche im Hinblick auf ihr persönliches Verhältnis zueinander zu respektieren.
Nach dem Abendessen fielen Toby bereits die Augen zu, und Nathan
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