Julia Bestseller Band 142
Moment die Augen. „Und dir ist nie in den Sinn gekommen, es mir früher zu sagen?“
„Du hast mir nur zehn Minuten gegeben.“ Der Versuch, einen Scherz zu machen, misslang. Wieder seufzte Grace. „Nein. Ich will mein Leben nach denselben Regeln wie alle anderen auch leben. Ich will keine Sonderbehandlung.“
„Du hast es nicht erwähnt, als du den Kredit bekommen hast.“
„Hätte ich es gesagt, hätte ich das Geld nicht bekommen.“
„Das ist nicht wahr.“
„Doch. Du hättest geglaubt, ich wäre nicht in der Lage, eine Firma zu leiten …“, sie schluckte, „… und damit hättest du recht gehabt. Jetzt sehe ich das ein. Ich dachte, ich könne ein Unternehmen managen, wenn ich nur Hilfe von den richtigen Leuten bekäme. Aber wenn ich nicht einmal meiner eigenen Familie vertrauen kann, wem dann?“
„Ich bin nicht qualifiziert, diese Frage zu beantworten. Denn meiner Erfahrung nach kann man niemandem vertrauen – am allerwenigsten der eigenen Familie.“
„Versucht deine Familie auch, dich auszunehmen?“
„Ich habe keine Familie.“ Ein Muskel an seiner Wange zuckte. Ein plötzliches Flackern in seinen Augen nahm Grace den Mut, das Thema weiterzuverfolgen. „Und ich gebe mich keinerlei Illusionen über Menschen hin.“
„Dann bist du der Vernünftigere von uns beiden, was?“ Sie atmete langsam aus und blickte zu Boden. Wie sollte es jetzt weitergehen? „Ich bin dir sehr dankbar, weil du versucht hast, mein Chaos zu entwirren. Danke, dass du herausgefunden hast, was vor sich geht. Das ist mehr, als ich alleine geschafft hätte. Du musst sehr wütend sein.“
„Das stimmt, das Ganze regt mich furchtbar auf.“ Er durchquerte das Zimmer und blieb vor ihr stehen. Die Luft zwischen ihnen vibrierte förmlich. „Tatsächlich bin ich über alle Maßen wütend.“
Sie zwang sich, sich seinem Zorn zu stellen, auch wenn ihr die Knie zitterten. „Ich bin für das Leid von Carlos und Filomena verantwortlich.“
„Das ist nicht der Grund. Natürlich hatte ich sowieso vor, ihnen das Geld zu geben, das sie brauchen. Auch wenn ich dabei sehr subtil hätte vorgehen müssen; sie sind sehr stolz. Nein, ich bin wütend, weil du mir diese Informationen vorenthalten hast, Grace.“
„Aber ich habe dir immer wieder versichert, dass ich unschuldig bin“, murmelte sie in dem verzweifelten Versuch, sich zu verteidigen. Doch sein Blick ließ sie rasch verstummen.
„Da du mir ausgerechnet das wichtigste Argument verschwiegen hast, wirst du mir wohl zustimmen, dass die Beweise nicht gerade für dich sprachen.“
Grace biss sich auf die Lippe. „Ich habe einfach erwartet, dass du mir vertraust.“
„Und warum sollte ich das tun?“ Seine Stimme war wieder sanft geworden, in seinen Augen blitzte es hingegen gefährlich. „Ich bin nicht wie du, Grace. Ich vertraue niemandem, den ich nicht kenne. Und ich misstraue Menschen, die ich kenne. Die Wahrheit ist, dass ich keinem vertraue. Vor allem, wenn alle Anzeichen auf eine Schuld hindeuten. Hat dir das niemand erzählt?“
Die unterdrückten Emotionen schufen eine angespannte Stimmung. Darin lagen seine Wut, ihr Kummer und noch etwas weit Mächtigeres.
Begehren. Chemie. Das vertraute Knistern.
„Doch“, entgegnete sie leise und kämpfte gegen die Hitze an, die sich unvermittelt in ihrem Körper ausbreitete. „Die Zeitungen sind voll davon.“
Ein humorloses Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Und trotz dieses Wissens bist du hergeflogen, um mich zu überreden, deinen Kredit zu verlängern.“ Er stand jetzt ganz nahe vor ihr. Unglaublich nahe. „Du musst auch gewusst haben, dass ich nach den Geschäftszahlen fragen würde.“
„Ich habe gehofft, dass die Antworten auf diese Fragen zu denen gehörten, die ich auswendig gelernt hatte.“
Langsam schüttelte er den Kopf. „Erfahrene Geschäftsleute überlegen sich zweimal, ob sie mit mir über Zahlen diskutieren. Und dennoch bist du in die Höhle des Löwen marschiert und hast dich wie ein kleines Reh zum Opfer dargeboten.“
„Nein“, erwiderte sie. „Das habe ich nicht. Ich wusste vom ersten Moment an, dass etwas Gutes in dir steckt. Als ich dich sah, wusste ich, dass die Zeitungen lügen.“
Er trat einen Schritt zurück. Sie ahnte, dass er sich gleichzeitig auch emotional von ihr entfernte.
„Tu das bitte nicht, Grace.“ Seine Stimme klang rau, fast aggressiv, als sei er fest entschlossen, Grace auf Distanz zu halten. „Schreib mir keine Tugenden zu, die ich ganz einfach nicht
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