Julia Bestseller Band 144
Mahlstrom ihrer tiefen Trauer drängte der Gedanke an die Oberfläche, dass sie bestraft worden war. Weil sie nur geheiratet hatte, um Kinder zu bekommen, und nicht aus Liebe.
Sie schloss die Augen und lag bewegungslos da, hilflos ihrem Schmerz und den peinigenden Gedanken ausgeliefert. Damien blieb an ihrem Bett sitzen, nachdem sich der Arzt verabschiedet hatte, und hielt ihre Hand. Als ob davon irgendetwas besser würde.
„Es tut mir so leid, Charlotte“, sagte er leise.
Sie hasste sein Mitgefühl. Verabscheute es. Sie wollte es nicht. Die Hand, die er hielt, ballte sich instinktiv zur Faust, um jedes tröstliche Wort abzuwehren, während sie ihn anfuhr: „Hör sofort auf, ich kann das nicht hören. Du weißt doch gar nicht, wie es ist, ein Kind zu verlieren.“
Sie hörte, wie er schnell Atem holte. „Es war auch mein Kind.“
Aus zusammengekniffenen Augen blickte Charlotte ihn anklagend an. „Du wolltest es doch sowieso nicht. Weil es dir zu früh war. Wahrscheinlich bist du sogar froh, dass das passiert ist.“
„Froh!“ Er wirkte entsetzt. „Du meine Güte, Charlotte, wofür hältst du mich? Für ein Ungeheuer?“
„Für einen Mann, der immer seinen Willen durchsetzen muss“, entgegnete sie, immer noch hasserfüllt. Irgendetwas drängte sie, ihm Vorwürfe zu machen – vielleicht, weil sie sich so unendlich hilflos fühlte. „Es hat dir nicht gepasst, dass wir jetzt schon ein Baby bekommen, und du hast nur so getan, als ob du dich freust.“
Ihre Tränen, die vor Entsetzen über den unermesslichen Verlust versiegt waren, brachen sich plötzlich wieder Bahn, schossen ihr in die Augen, liefen ihr über die Wangen und machten sie sprachlos. Damien verstand sie nicht, und er würde sie nie verstehen. Niemals! Sie entriss ihm ihre Hand, warf sich herum und drehte ihm den Rücken zu, dann wurde ihr ganzer Körper von einem rauen Schluchzen geschüttelt.
Damien war blitzschnell auf den Beinen, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er sehnte sich danach, Charlotte in den Arm zu nehmen und festzuhalten, bis der Sturm vorüber war. Aber er wusste, dass sie es nicht zulassen würde, deshalb versuchte er es erst gar nicht. Unter diesen Umständen hatte es keinen Sinn. Es würde die innere Abwehr, die sie ihm entgegenbrachte, nur verstärken.
Am schlimmsten war, dass ihre Vorwürfe nicht ganz aus der Luft gegriffen waren. Es stimmte ja, dass er die Nachricht von ihrer Schwangerschaft im ersten Moment nicht gerade begrüßt hatte, wenn auch nicht, weil er grundsätzlich kein Kind wollte. Was passiert war, zerriss ihm ebenso das Herz wie ihr. Er hatte sich einfach nur mehr Zeit mit Charlotte gewünscht – Zeit, die ihnen allein gehörte. Seit der Hochzeitsreise hatte er sich so gut mit ihr gefühlt, so gut wie noch nie zuvor in seinem Leben. Und ihr war es nicht anders ergangen, das hatte er deutlich gespürt. Er war kurz davor gewesen, ihr Herz zu erobern. Er konnte – er wollte und durfte – nicht zulassen, dass das jetzt alles zerstört wurde.
Damien war so angespannt, dass er unmöglich ruhig sitzen konnte, deshalb lief er in dem privaten Krankenzimmer auf und ab, verzweifelt nach einem Ausweg suchend. Was konnte er tun? Charlotte hatte ihn geheiratet, weil sie Kinder wollte. Das war ihr ursprüngliches Motiv gewesen, das hatte sie von Anfang an klar gesagt und es auch nie widerrufen.
Sie war so überströmend glücklich gewesen, seit sie wusste, dass sie schwanger war. Und jetzt war ihr das Kind genommen worden. Wie sollte er ihr bloß helfen, über diesen furchtbaren Verlust hinwegzukommen? Er konnte ihr Schluchzen kaum mit anhören, so sehr ging es ihm zu Herzen. Wenn er sie wenigstens dazu bringen könnte, ihn anzusehen … aber sie würde es nicht tun. Sie schloss ihn aus, kapselte sich ab.
Er musste den Schlüssel zu ihrem Herzen finden.
Sie wünschte sich ein Kind.
Deshalb hatte sie ihn geheiratet.
Wenn er sie nicht verlieren wollte, musste er auf ihren Wunsch nach Mutterschaft eingehen. Und zwar sofort! Bevor der Verlust dieses Kindes ihre Ehe unwiderruflich zerstörte.
In dem wirren Durcheinander seiner Gedanken brach sich eine Idee Bahn. Er klammerte sich daran wie ein Ertrinkender an einen Rettungsanker. Kurz entschlossen nahm er den Stuhl, auf dem er gesessen hatte, trug ihn um das Bett herum auf die Seite, auf der Charlotte lag, und setzte sich. So würde ihr Blick auf ihn fallen, sobald sie die Augen öffnete.
Das herzzerreißende Schluchzen war endlich verstummt. Sie wirkte
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