Julia Bestseller Band 144
eine Frau, die auf ihn als Mann reagierte. Er wollte ihr diese trügerische frühlingshafte Ausstrahlung entziehen, ihren Körper und ihren Geist demaskieren. Er wollte sie bar jeder Illusion nackt unter seinen Händen fühlen und seinem Willen gefügig machen.
Ganz bewusst ließ er den Blick über die volle Rundung ihrer Brüste schweifen, wobei ein anerkennendes, genüssliches Lächeln seine Lippen umspielte. Der kurze Rock ihres gelben Kostüms gab viel von ihren schönen, wohlgeformten Beinen in hauchzarten Seidenstrümpfen frei. Er stellte sich vor, wie diese hinreißenden Beine ihn leidenschaftlich umfangen würden. Ja, er würde sich seinen Spaß bei ihr holen, dafür dass sie versucht hatte, ihn an der Nase herumzuführen.
Keiner hielt ihn, Jim Neilson, ungestraft zum Narren, dazu war er zu welterfahren. Das Gelb war nur ein Blickfang gewesen. Eine Signalfarbe. Es würde ihm eine große Befriedigung sein, sie zu entkleiden …
Beth durchzuckte es heiß. Das hatte sie nicht erwartet – diese unmissverständliche Begutachtung als mögliche Bettgespielin. Er musste ihre forschenden Blicke als Anmache missverstanden haben. Sie verspürte ein Flattern im Bauch, es fiel ihr schwer, klar zu denken.
Im ersten Moment, als sie seinem prüfenden Blick begegnet war, hatte sie mit Herzklopfen reagiert, hatte geglaubt … Aber nein, er hatte sie nicht wiedererkannt. Nichts deutete darauf hin, dass sie ihm auch nur im Entferntesten bekannt vorkam. Dennoch hatte sie ihn weiter anschauen müssen. Zu stark war der Wunsch, etwas von dem Jungen in ihm zu entdecken, den sie so gut gekannt hatte.
Jamie, Jamie, schrie es in ihr, während sie ihn beschwörend ansah, als könnte sie ihn damit zwingen, zu hören, zu sehen, sich zu erinnern. Sie hatte so fest daran geglaubt, dass das Band zwischen ihnen nie zerreißen würde. Doch er war nicht zu ihr zurückgekommen, wie er es ihr geschworen hatte.
Wo war es, dieses besondere Gefühl, das sie miteinander verbunden hatte? Welche Mächte hatten das Band von seiner Seite durchtrennt? Sie verstand es nicht, würde es nie verstehen. Es hatte ihr zu viel bedeutet. Obwohl sie bei ihrem Abschied im Grunde noch ein Kind gewesen war, hatte sie die unerschütterliche Gewissheit gehabt, dass sie dazu bestimmt waren, zusammen zu sein.
Acht Jahre lang waren sie unzertrennlich gewesen. Jahre, in denen ein tiefes Verständnis zwischen ihnen gewachsen war, eine Liebe, die keiner Worte bedurfte, alle Worte überstieg. Eine wahre Seelenverwandtschaft.
Davon war jetzt nichts zu spüren. Sein Blick verriet nur das Interesse eines Mannes an einer Frau, die er attraktiv fand. Oder meldeten ihm seine Instinkte darüber hinaus noch etwas anderes, Ungreifbares, das ihn verlockte, tiefer zu forschen?
Nun kam er direkt auf sie zu. Beth konnte den Blick nicht von ihm wenden. Wie angewurzelt stand sie da, unfähig, einen Entschluss zu fassen.
Er war nicht mehr der Jamie, der in ihrer Erinnerung lebte. Natürlich nicht. Fünfzehn Jahre und völlig unterschiedliche Erfahrungen trennten sie von der gemeinsamen Kindheit im Tal. Als sie ihn zuletzt gesehen hatte, war er fünfzehn, sie dreizehn gewesen. Er hatte sich sehr verändert. Nicht einmal die Zeitungsfotos hatten sie darauf vorbereitet.
Sein Blick hielt sie in unmissverständlich erotischer Anspielung in Bann. Die Wirkung war seltsam beängstigend und erregend zugleich. Es gab keine Flucht vor der direkten Konfrontation. Im Moment war sie das Wild, das er jagte, und er würde sie nicht so leicht entkommen lassen.
Beth spürte eine gefährliche, rücksichtslose Seite in seinem Wesen, den eisernen Willen desjenigen, der zum Überleben entschlossen war, einen beständig wachsamen Geist, den es unermüdlich danach drängte, zu wissen, zu forschen, zu handeln. Das erschreckte und verwirrte sie. Dabei hätte sie darauf vorbereitet sein müssen, denn ohne jene Eigenschaften wäre er nie dahin gelangt, wo er war.
Tante Em hatte ihr all die Ausschnitte aus den Zeitungen und Wirtschaftsmagazinen geschickt, die von Jim Neilsons spektakulärem Aufstieg in der Finanzwelt berichteten: der Mann mit dem Computergehirn, das analytische Genie, den Markttrends immer einen Schritt voraus … Wenn sie, Beth, objektiv genug gewesen wäre, zwischen den Zeilen zu lesen, hätte sie seine Veränderung nicht überraschen dürfen.
In den Berichten war immer von „Jim“ die Rede. Niemals von „Jamie“. Sein früheres Leben wurde mit keinem Wort erwähnt. Tante Em war der
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