Julia Bestseller Band 144
Ansicht, er hätte seine Vergangenheit verdrängt und würde nicht erfreut reagieren, daran erinnert zu werden. Das lag hinter ihm, war tot und begraben. Wenn er den Kontakt zu Beth oder einem Mitglied der Familie Delaney hätte wieder aufnehmen wollen, hätte er in den vergangenen Jahren mehr als genug Zeit – und Geld – dazu gehabt.
Beth hatte das längst akzeptiert. Dennoch hatte sie dieser Chance nicht widerstehen können, einen Blick auf den Mann zu werfen, zu dem er geworden war. Mehr als nur einen Blick, wenn sie ehrlich war. Sie wollte endlich Gewissheit haben.
Im nächsten Moment würde sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, und sie überlegte verzweifelt, was sie sagen sollte. Möglicherweise würde er sie ja dafür hassen, dass sie die Erinnerung an sein Leben im Tal wieder wachrief. Oder er würde völlig falsche Gründe hinter ihrem Auftauchen vermuten, nun, da er ein wohlhabender und angesehener Mann war. Allein der Gedanke an diese Möglichkeit ließ sie zurückschrecken. Doch sie konnte nicht mehr ausweichen, denn Jim Neilson sprach sie bereits an.
„Darf ich Ihnen ein Glas Champagner anbieten?“
Beth schluckte. „Ja, vielen Dank“, antwortete sie heiser. Er stand jetzt so nahe vor ihr. Erkannte er in ihren Augen denn nicht die Beth von früher?
Er reichte ihr das Glas mit einem gewinnenden Lächeln, das darauf angelegt war, eine ihm unbekannte Frau gleich auf Anhieb für sich zu gewinnen. „Sie befinden sich mir gegenüber im Vorteil.“
Seine Stimme, die Beth zuletzt gehört hatte, als er fünfzehn gewesen war, hatte einen deutlich tieferen Klang bekommen. Der Ton war sanft, aufregend, verführerisch und übte eine hypnotisierende Wirkung auf Beth aus. Sie sah ihn verständnislos an. „Wie meinen Sie das?“
„Sie wissen, wer ich bin“, erläuterte er, wobei sein Blick sie unverhohlen warnte, das abzustreiten.
„Ja“, gestand sie, denn es wäre dumm und sinnlos gewesen, es zu leugnen. Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich weiß viele Dinge über Sie. Was aber nicht bedeutet, dass ich Sie wirklich kenne, oder?“
Er lachte, warm und dunkel, und Beth lief ein Schauer über den Rücken, der sie warnte, auf der Hut zu sein. Dies war nicht Jamie, sondern zweifellos ein höchst aufregender Mann auf der Jagd nach neuer Beute.
„Die Berichte über mich in den Medien sind gewöhnlich je nach Interesse der jeweiligen Journalisten eingefärbt“, sagte er spöttisch. „Ich rate Ihnen, lieber persönliche Recherchen durchzuführen.“
Eine unmissverständliche Anzüglichkeit. Beth versuchte, die beunruhigend erotische Komponente in ihrem Gespräch zu verdrängen, um ihre Neugier zu befriedigen. „Geben Sie je irgendjemand Einblick in Ihre ganz private Welt?“
„Oh, ich habe soeben Ihnen die Tür geöffnet. Würden Sie gern zu einer, sagen wir, intimeren Ebene fortschreiten?“
Wieder eine eindeutig erotische Anspielung, die Beth in ihrer Direktheit den Atem raubte. Überhaupt war er ein atemberaubender Mann. Beth war schon überdurchschnittlich groß, aber er überragte sie noch um einen ganzen Kopf, und aus dem fast schmächtigen, drahtigen Jugendlichen war ein breitschultriger, beeindruckend athletischer Mann geworden. Das ehemals schmale, hagere Jungengesicht war auf äußerst anziehende Weise gereift, die Züge markant und fast aggressiv männlich, wobei der intelligente, hellwache Ausdruck in den dunklen Augen geeignet war, jeden in seinen Bann zu schlagen. Das dichte, glänzende schwarze Haar war kurz geschnitten, was die raubkatzenhafte Ausstrahlung betonte, die zudem durch die schwarze Lederjacke unterstrichen wurde.
Beth fragte sich unwillkürlich, ob seine tatsächlichen Fähigkeiten als Liebhaber den zugegeben aufregenden Verheißungen, die aus seinen glühenden Blicken sprachen, gerecht werden würden. Er war sich in geradezu arroganter Weise seiner Wirkung bewusst. Zweifellos hatte er allen Grund dazu. Was aber hatte er anzubieten, wenn man die Probe aufs Exempel machte?
Sie nippte an ihrem Champagnerglas, um Zeit zu gewinnen, während sie überlegte, wie sie die Situation am besten meistern konnte. Diese Begegnung entwickelte sich so ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte.
„Kommen Sie, spielen Sie jetzt nicht die Schüchterne“, tadelte er sie. „Spontaneität ist mir viel lieber als Berechnung.“
Beth hörte den zynischen Unterton in diesen Worten, und es reizte sie, ein wenig nachzuhaken: „Zählt es zu Ihren
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