Julia Bestseller Band 146
betrübt. „Nein“, wiederholte sie. „Ich kenne ihn. Ich kann besser allein mit ihm fertig werden.“
4. KAPITEL
Natürlich machte es sich immer gut, sich tapfer und entschlossen zu geben, doch in dem Moment, als Cristina in den Hotellift einstieg, der sie zu Luis’ Penthouse-Suite bringen sollte, wurde ihr klar, dass sie alles andere als mutig war.
Als der Lift zum Stehen kam, prickelte und kribbelte es in ihr. Was sie allerdings am meisten beunruhigte, war, dass dieses Prickeln nicht unbedingt von Angst herrührte. Vor der Suitentür gestand sie sich ein, dass es Erregung war, die sie so komplett erfasst hatte.
Würde Luis sie in einem von diesen weißen Bademänteln empfangen, die er so gerne trug? Wahrscheinlich, weil sie seine langen Beine freigaben und den Blick auf seine Brust so gut zur Schau stellten. Oder würde er vielleicht sogar nackt die Tür öffnen? Ein Mann mit einem festen Vorsatz – sei mir zu Willen, sonst … Würde er wirklich so drastisch sein, so direkt?
Die Türen begannen sich zu öffnen. Cristina stockte der Atem. Trotzig hob sie das Kinn. Wenn Luis sich einbildete, er könnte sie gleich in sein Bett zerren …
„Mrs Ordoniz?“ Eine sachliche weibliche Stimme drang an ihre Ohren. Sie gehörte der Blondine, die mit Luis zusammen auf dem Galaempfang gewesen war. Mit nichts ließ die Frau erkennen, dass sie Cristina am Vortag begegnet war. „Ich bin Kinsella Lane, Mr Scott-Lees persönliche Assistentin. Wenn Sie mir bitte folgen wollen … ich führe Sie zu ihm.“
Luis begrüßte sie also nicht einmal persönlich. Keine gefährliche Intimität in einer anonymen Hotelsuite, stattdessen ein Privatflur und eine Frau, die sich „persönliche Assistentin“ nannte. Nur ein Narr würde ihr das abnehmen. Warum sonst war sie wohl hier! Teilte sie die Suite und das Bett mit Luis?
Ärger wallte in Cristina auf – oder war es Eifersucht? –, als sie der in Blau gehüllten Kinsella Lane folgte. Kinsella klopfte kurz an eine Tür, öffnete diese und betrat den Raum mit ihren langen Model-Beinen.
„Mrs Ordoniz ist hier, Anton“, sagte sie vertraulich.
Cristina nahm mehrere Dinge auf einmal wahr, wobei der Name Anton der härteste Schlag war. Sie blieb stehen, als der so Angesprochene in ihr Blickfeld kam. Er stand über einen langen Konferenztisch gebeugt, zwei weitere Männer waren bei ihm. Ja, es war Luis und doch nicht Luis. Das hier war ein Mann in einem maßgeschneiderten hellgrauen Anzug mit einer Weste, die wie ein Harnisch seine breite Brust umschloss, darunter ein blütenweißes Hemd und eine silberne Seidenkrawatte. Dieser Mann erteilte Anordnungen in Englisch, knapp, präzise, mit autoritätsgewohnter Stimme.
Dieser Mann war nicht der leidenschaftliche, betörende Luis, den sie kannte. Das hier war Anton, ein kühl kalkulierender Bankier, ein Gladiator der Geschäftswelt, ausgestattet mit einer Macht, die ihm vor sechs Jahren noch nicht vertraut gewesen war.
Jetzt drehte er den Kopf und schaute Cristina entgegen, musterte sie langsam von oben bis unten. Sie sah aus, als käme sie zu einer Beerdigung. Sie trug ein schwarzes Kostüm mit flachen Schuhen, das Haar war streng zurückgekämmt. Anton spürte Ärger in sich aufsteigen, gefolgt von einem seltsamen Gefühl, das er im Moment nicht analysieren wollte.
Er hatte Zeit genug darauf verwendet, den desolaten Zustand von Cristinas Finanzen zu analysieren. Sie besaß Hunderte von Quadratmeilen besten Weidelandes und Tausende von zuchtprämierten Rindern. Ihr gehörte ein kleines Gebirge mit fruchtbaren Tälern und ein Stück Regenwald, das sich bis zur Küste mit einem spektakulären Sandstrand ausdehnte. Und trotzdem musste sie sich das Geld für das Flugticket nach Rio leihen.
Kein Wunder, dass sie in Schwarz kam. Wahrscheinlich hatte sie dieses unvorteilhafte Kostüm bei den Beerdigungen von Ehemann und Vater getragen. Jetzt war sie hier, um den Marques-Stolz zu Grabe zu tragen.
Dieses Gefühl meldete sich wieder. Mitleid? Nein, wieso sollte er Mitleid mit ihr haben? Sie hatte ihm den Rücken gekehrt und einer Geldheirat den Vorzug gegeben. Um das reine Blut der Marques-Linie zu erhalten. Für so etwas empfand man kein Mitleid, sondern Verachtung.
Und wo war denn nun die Schar reinrassiger Kinder? Nirgendwo. Vaasco Ordoniz war kinderlos gestorben. Nein, Cristina tat ihm nicht leid. Entschlossen drängte Anton das Gefühl zurück.
Aber er begehrte sie – umso mehr, als sie jetzt das Kinn hob und ihn
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