Julia Bestseller Band 146
stieß sie hervor.
Enrico lehnte sich wieder zurück. „Dann betrachten wir deinen Job doch mal näher. Das Archiv nimmt viel Platz im Keller ein. Man könnte es auflösen und die Räume vermieten.“
„Das Archiv ist aber wichtig“, behauptete sie und legte schützend die Arme um ihren Körper. Wieder war sie einer Panikattacke nahe.
„Mir ist keine Profit machende Firma bekannt, die einen Haufen unfähiger Leute beschäftigt, die nichts anderes zu tun haben, als Dokumente durch einen veralteten Scanner zu schieben“, sagte er verächtlich. „Ich könnte fünfzig Leute von einer Zeitarbeitsfirma kommen lassen, sie mit modernen Geräten ausstatten, und der Keller wäre innerhalb einer Woche leer. Das würde mich höchstens …, na ja, wie viel würde es mich kosten? Vielleicht …“ Er nannte eine Summe, die Freya erbleichen ließ. „Dann würdet ihr alle auf der Straße stehen. So, wo könnte ich noch Kosten einsparen?“
Freya zitterte am ganzen Körper. Quasi im Handstreich wollte Enrico nicht nur sie, sondern Dutzende Kollegen auf die Straße setzen. Damit nicht genug, er drohte auch damit, die Krippe zu schließen. Dadurch würden vierunddreißig Mütter praktisch entlassen, denn wenn diese ihre Kinder nicht mehr abgeben konnten, wie sollten sie dann arbeiten?
„Du verdienst es gar nicht, einen Sohn zu haben“, stieß Freya hervor. „Kehr doch zurück in die Gosse, aus der du gekommen bist!“
Die Beleidigungen schienen an ihm abzuprallen, denn er zuckte nur die Schultern. „Ich kümmere mich um angeschlagene Unternehmen, nicht um Menschen. Bei Hannard wird völlig unrentabel gearbeitet. Eigentlich müsste ich die gesamte Belegschaft entlassen.“
„Und bei mir machst du den Anfang. Ich hasse dich.“
„Wirklich? Wie lässt sich das wohl ändern? Mit mehr Geld? Mit einem sicheren Arbeitsplatz? Mit einem Kindermädchen für den Jungen?“
Sie funkelte ihn wütend an. Sie war plötzlich so bleich, dass Enrico befürchtete, sie würde gleich ohnmächtig werden. „Er fühlt sich in der Krippe sehr wohl.“
„Komm, setz dich wieder. Dann besprechen wir alles Weitere.“
Freya dachte gar nicht daran. Sie wäre am liebsten fortgelaufen, doch sie konnte sich nicht bewegen. Die Beine gehorchten ihr einfach nicht. Die Atmosphäre wurde immer gespannter.
„Vielleicht sollte ich Sie daran erinnern, wen Sie vor sich haben, Miss Jenson.“
„Untersteh dich, mir zu drohen, Enrico“, sagte sie mit bebender Stimme und versuchte, sich zusammenzureißen.
Enrico kehrte an seinen Schreibtisch zurück, griff nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer, während er Freya keine Sekunde lang aus den Augen ließ.
„Carlo? Ich habe Miss Jenson gerade fristlos entlassen. Bitte bringen Sie ihre Sachen in mein Büro.“
Dann legte er den Hörer auf und musterte sie kühl. „Wieder mal gefeuert“, sagte er langsam und wartete auf ihre Reaktion, bevor er gelassen hinzufügte: „Nun setz dich bitte her.“ Enrico hatte sich an den Schreibtisch gelehnt.
Wie in Trance bewegte sie sich auf den Schreibtisch zu.
Habe ich sie tatsächlich entlassen? Enrico konnte es kaum fassen, so gnadenlos gewesen zu sein. Doch das gehörte zu seinem Beruf. Allerdings war es etwas anderes, wenn man eine Frau so gut kannte, wie er Freya mal gekannt hatte.
Offenbar glaubte sie ihm, dass er sie gefeuert hatte, wohingegen er sich dessen nicht so sicher war.
Sie blieb direkt vor ihm stehen. Hinsetzen konnte sie sich nicht, weil seine langen Beine ihr den Weg versperrten.
Er bemerkte, dass sie noch immer zitterte. Sie hielt den Blick gesenkt und hatte noch immer ihren Körper schützend umfangen.
Doch vor Enrico gab es keinen Schutz.
„Bitte tu mir das nicht an“, flüsterte sie. „Ich brauche den Job.“
Plötzlich wurde ihm ganz heiß. Er atmete ihr Parfüm ein. Es war ein ganz leichter Duft, und dann stellte sich Enrico vor, was sich unter ihrem unförmigen Kostüm verbarg: feste Brüste mit aufregend empfindlichen Spitzen, ein flacher Bauch, dessen Nabel er so gern mit der Zunge verwöhnt hatte … Ich darf gar nicht daran denken, überlegte er mürrisch und ließ den Blick zu ihrem Gesicht gleiten. Sie ist wunderschön, dachte er, auch wenn sie viel zu blass ist.
Würde sie sich wehren, wenn er ihren Haarknoten löste, ihn beißen, wenn er ihre bebenden Lippen küsste?
Er hatte sie jetzt genau da, wo er sie haben wollte. Nur eins fehlte noch: Das Geständnis: „Ja, er ist dein Sohn.“ Früher oder später
Weitere Kostenlose Bücher