Julia Collection Band 09
deutlich wie die Nase in ihrem Gesicht – ging es ihm genauso.
Sie schenkte sich eine zweite Tasse Kaffee ein, ging ins Wohnzimmer hinüber und machte es sich in einer Ecke des Sofas bequem. Ihre Begegnung hatte so viele schmerzliche Erinnerungen in ihr geweckt und ihr gezeigt, dass sie immer noch nicht über ihn hinweg war, obwohl sie das geglaubt hatte. Aber offenbar hatte sie sich geirrt.
Im Lauf der Jahre war es zur Tradition geworden, dass Kaylee Curtis und ihren Bruder bei den Wettkämpfen anfeuerte. Sie war auch dabei gewesen an jenem schicksalhaften Wochenende vor drei Jahren in Houston. Aber was als ein typischer Samstagabend begonnen hatte, an dem sie den beiden Männern, die sie am meisten liebte, beim Bullenreiten zusah, war von einer Sekunde zur nächsten zu einer fürchterlichen Tragödie geworden.
Curtis hatte den Stier, den er gelost hatte, erfolgreich geritten und hatte Mitch beim Besteigen seines Stiers geholfen. Aber schon in dem Moment, als der Bulle die Arena betrat, hatte Kaylee gewusst, dass Mitch in großen Schwierigkeiten war. Der erste Sprung des Tiers war so wild gewesen, dass er Mitch nach vorn katapultiert hatte und er mit dem Kopf so hart gegen den Nacken des Stiers schlug, dass er das Bewusstsein verlor. Die „Stierkämpfer“ – auch oft als Rodeoclowns bezeichnet – kamen sofort herbeigelaufen, aber bevor sie den Stier ablenken konnten, war Mitch auf dem Boden genau vor den gefährlichen Hufen des wütenden Stiers gelandet.
Kaylees Augen füllten sich mit Tränen, als sie noch einmal die fürchterlichen Momente durchlebte, die dann folgten. Die Stierkämpfer hatten das Tier rechtzeitig genug abgelenkt, um ihm keine Zeit zu lassen, Mitch mit seinen Hörnern aufzuspießen, aber als das Tier über Mitch hinwegsprang, um zu den Stierkämpfern zu kommen, landeten seine Hinterhufe mit voller Wucht mitten auf Mitchs Brust.
Ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit hatte Curtis sich über den Schutzzaun geschwungen und war zu ihrem Bruder gelaufen. Nachdem er sicher gewesen war, dass man sich um Mitch kümmerte, war er zu ihr gekommen. Er hatte sie ins Krankenhaus begleitet und mit ihr gewartet, während Mitch operiert wurde. Und später hatte er sie gehalten, als man ihnen mitteilte, dass ihr einziger Bruder – ihr einziger Verwandter – auf dem Operationstisch gestorben war.
„Mommy!“, rief ein leises Stimmchen vom anderen Ende des Flurs.
Kaylee war froh über die Unterbrechung, die sie aus ihren beklemmenden Gedanken riss. Offenbar war ihre kleine Tochter aufgewacht. Kaylee stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch und stand auf. Während sie den Flur hinunterging, um nach Amber zu sehen, trocknete sie sich die tränenfeuchten Wangen. Jetzt musste sie an Amber denken. Sie hatte nicht die Zeit, sich über die Vergangenheit Sorgen zu machen, die sie sowieso nicht ändern konnte.
„Hattest du einen schlechten Traum, meine Süße?“, fragte sie und nahm das kleine Mädchen in den Arm.
Amber schüttelte verschlafen den Kopf, steckte einen Finger in den Mund und barg das Gesicht am Hals ihrer Mutter.
„Es ist schon gut, mein Engel. Mommy lässt nicht zu, dass dir etwas passiert“, sagte Kaylee und drückte ihre Tochter fest an sich.
Sie stand auf und wollte ins Wohnzimmer gehen und sich mit Amber in den Schaukelstuhl setzen, aber in diesem Moment klingelte es an der Tür und sie machte einen Umweg, um zu sehen, was für ein Vertreter es war und was man ihr diesmal verkaufen wollte. Sie stellte den Kassettenrekorder an, der auf dem Tisch neben der Tür stand und lächelte Amber augenzwinkernd zu, als das Geräusch eines knurrenden Schäferhunds den Raum erfüllte.
„Irgendwann in nächster Zeit wird Mommy einen echten Hund kaufen – mit riesigen Zähnen und einem unstillbaren Hunger nach lästigen Vertretern.“ Sie vergewisserte sich, dass die Sicherheitskette vorgelegt war, holte tief Luft und drückte den Türgriff hinunter. „Aber jetzt schauen wir erst mal, wie wir diesen Knaben loswerden.“
Während Curtis vor der Tür zur Wohnung im ersten Stockwerk wartete, rückte er die Schlinge zurecht, die seinen linken Arm fest an seinen Körper presste, und sah sich im schäbigen Gebäude um. Was machte Kaylee nur hier? Warum lebte sie nicht auf ihrer Ranch in Oklahoma?
Die ganze Zeit im vergangenen Monat, als er sich von seinen Verletzungen erholte, hatte er eingehend sein Gewissen geprüft und war zu der Erkenntnis gekommen, dass er Kaylee finden und die Dinge wieder
Weitere Kostenlose Bücher