Julia Collection Band 09
Rippen, und sie wurde blass vor Schreck.
„Curtis!“, flüsterte sie entsetzt.
Das Blutdruckmessgerät fiel ihr aus den zitternden Fingern auf den Boden, doch sie merkte es kaum.
„Sie kennen den Mann?“, fragte einer der Sanitäter und hob das Gerät auf.
Offenbar war er neu und kannte die Bullenreiter nicht. Aber Kaylee kannte sie. Sie konnte nicht sprechen, weil ihre Kehle auf einmal wie zugeschnürt war, aber sie nahm ihm das Messgerät ab, schloss die Augen und nickte. Sie war im Umfeld der professionellen Bullenreiter aufgewachsen, und bis vor drei Jahren waren die meisten Bullenreiter wie Brüder für sie gewesen.
Aber der eine Cowboy, der vor ihr auf dem Untersuchungstisch lag, war immer etwas Besonderes gewesen. Sie kannte Curtis Wakefield seit der Zeit, als er sechzehn und sie zehn Jahre alt gewesen war. Er war der beste Freund ihres Bruders gewesen, ihre erste große Liebe und der Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte.
„Kaylee, wenn Sie ihm nicht den Blutdruck messen wollen, gehen Sie zur Seite und lassen Sie es jemand anders tun“, sagte Dr. Carson ungeduldig, während er Curtis’ Kopf untersuchte.
Der scharfe Ton des Arztes riss sie aus ihrem Schockzustand, und sie nannte ihm den Wert.
„Gut. Helfen Sie mir, ihn aus seiner Reiterkluft zu schälen und sein Hemd zu öffnen, damit wir sehen können, was wir hier haben“, wies Dr. Carson an.
Kaylee holte tief Luft und öffnete den Reißverschluss der schwarzen Schutzlederweste und dann den strapazierfähigen Klettverschluss an Curtis’ rechter Schulter, während Dr. Carson die linke Seite übernahm. Kaylee zwang sich weiterzumachen, schob das schwere Leder beiseite und knöpfte sein Cowboyhemd auf, damit der Arzt ihn untersuchen konnte.
Aber als sie Curtis’ muskulöse Brust und seinen Waschbrettbauch sah, erschauerte sie und wurde an vergangene Dinge erinnert, die sie drei Jahre lang, die ihr wie eine Ewigkeit erschienen waren, verzweifelt versucht hatte zu vergessen. Ohne zu überlegen, berührte sie seine glatte, warme Haut mit den Fingerspitzen. Das letzte Mal, als sie ihn ohne Hemd gesehen hatte – also das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte – war die Nacht nach der Beerdigung ihres Bruders gewesen, in der sie beieinander Trost und Beistand gesucht hatten und in der sie schließlich …
„Kaylee?“
Curtis’ Stimme ließ sie zusammenzucken. Er hatte das Bewusstsein wiedererlangt, ohne dass sie es gemerkt hatte. Sie sah ihm in die blauen Augen und hatte plötzlich Schwierigkeiten zu atmen. „Hi, Curtis.“
Als sie ihn vor vierzehn Jahren kennengelernt hatte, war sie davon überzeugt gewesen, dass er der süßeste Junge war, den sie je gesehen hatte. Aber sein gutes Aussehen damals war nur eine schwache Andeutung des verteufelt attraktiven Mannes gewesen, zu dem er sich schließlich entwickelt hatte. Mit seinem rabenschwarzen Haar und den strahlend blauen Augen hatte er ihr immer den Atem genommen. Leider war nur allzu deutlich, dass die Zeit Curtis’ Wirkung auf sie nicht verringert hatte.
Kaylee beschloss zu der freundschaftlichen Beziehung zurückzufinden, die zwischen ihnen bestanden hatte, bevor all jene Ereignisse über sie hereingebrochen waren, die ihr Leben veränderten. „Wie ich sehe, machst du immer noch deinen berühmten Kopfsprung beim Absteigen.“
Seine schmalen bleichen Wangen bekamen ein ganz klein wenig Farbe. „Und wie ich sehe, bist du immer noch dieselbe freche Göre wie früher“, konterte er mit einem mutwilligen Glänzen in den Augen, das seinen Worten die Spitze nahm.
„Da irrst du dich aber, Cowboy“, sagte sie und lächelte traurig. „Wie du dich vielleicht erinnerst, musste ich vor etwa drei Jahren ziemlich schnell erwachsen werden.“
Curtis hatte das Gefühl, sie hätte ihn in den Magen geboxt mit ihrer geheimnisvollen Bemerkung. Er war nicht sicher, ob sie sich auf Mitchs Tod bezog oder darauf, dass er, Curtis, am Morgen nach der aufregendsten Nacht seines Lebens verschwunden war, ohne sich ein einziges Mal wieder bei ihr zu melden. Die Schuldgefühle, die ihn seit drei Jahren quälten, regten sich auch jetzt in ihm, und er glaubte, an ihnen ersticken zu müssen.
„Wie ist es dir inzwischen ergangen, Kaylee?“, fragte er, da ihm nichts anderes einfiel.
Sie schob sich eine kastanienbraune Locke hinter das Ohr und schien einen Augenblick über seine Frage nachzudenken.
„Ich habe überlebt. Im letzten Jahr habe ich endlich meinen Abschluss gemacht.“
Er runzelte die Stirn.
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