JULIA COLLECTION Band 10
verflogen. „Aber du hättest doch auch mich fragen können, Rico, und nicht irgendeinen professionellen Schnüffler beauftragen müssen, der meine Finanzen unter die Lupe nimmt und …“ Sie verstummte, wirbelte herum und nahm den zweiten Bericht in die Hand. Dann begann sie, darin zu blättern, ehe Rico es verhindern konnte. Innerlich total aufgewühlt wartete er auf Renées nächsten Wutanfall.
Da brauchte er nicht lange zu warten. Mit hochroten Wangen sah sie ihn an. „Du meine Güte, du hast ja sogar mein Privatleben unter die Lupe nehmen lassen! Meine … meine Sexualkontakte!“
„Nur was die vergangenen fünf Jahre angeht“, sagte Rico entschuldigend.
„Damit minderst du deine Schuld nicht, Rico. Das ist unverzeihlich!“, fügte sie noch hinzu und warf die Berichte auf den Couchtisch, ehe sie ihren Drink in die bebenden Hände nahm. „Außerdem ist das ja mal wieder typisch.“ Sie trank einen großen Schluck. „Miese Italiener, man kann ihnen einfach nicht trauen, und sie vertrauen niemandem – und Liebe … pah, die kennen sie nur vom Hörensagen. Sie wollen eine Frau lediglich besitzen und alles über ihr sexuelles Vorleben erfahren, um sich dann vor lauter Eifersucht …“
„Aber du hast doch gar keine Geheimnisse, was das angeht, Renée“, gab Rico zu bedenken und versuchte angesichts ihrer Empörung ruhig zu bleiben. „Du hattest keine Sexualpartner, seitdem dein Mann tot ist. Und ich würde gern wissen, warum nicht.“
„Natürlich“, rief sie spöttisch, „jetzt interessiert es dich. Und das ist auch typisch italienisch, am liebsten wollt ihr doch eine Jungfrau. Roberto war gar nicht begeistert, als er festgestellt hat, dass ich vor ihm schon mit anderen Männern geschlafen hatte. Und dann wollte der arme Kerl alles über mein Vorleben wissen. Und weißt du, was daran wirklich krank war? Dass ich dachte, seine Eifersucht sei auf seine Liebe zu mir zurückzuführen. Ich dachte, er sei ganz verrückt nach mir und würde nie wieder eine andere Frau ansehen. Ich war ja so dumm!“ Sie begann, im Wohnzimmer auf und ab zu gehen, wobei sie hin und wieder an ihrem Whisky nippte. „Aber ich habe dazugelernt. Seit Roberto weiß ich genau, worauf es Männer abgesehen haben. Nicht auf Liebe, Rico. Liebe war nie ein Thema, bis Jo kam.“
Rico schnitt ein Gesicht. „Oh, tatsächlich“, meinte er dann spöttisch. Wenn die Sache mit Renée schon vorbei sein sollte, dann wollte er auf jeden Fall nicht wortlos aus ihrem letzten Zweikampf hervorgehen. „Wie kommst du auf die Idee, dass ein Mann in den Sechzigern anders wäre als einer in den Dreißigern? Schließlich wollte Jo dich doch haben. Jetzt erzähl mir nicht, dass er nur an deinem Feingeist interessiert war, Renée. Das wäre totaler Blödsinn, und du weißt es.“
„Nur zu deiner Information: Als ich Jo geheiratet habe, hatte er bereits Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium. Durch die Behandlung war er impotent geworden. Sex ist niemals Teil unserer Beziehung gewesen. Er wollte nur Zuneigung und Gesellschaft von mir. Nach Roberto und all den anderen Windbeuteln erschien mir das wie der Himmel auf Erden. Okay, ich war nicht über beide Ohren in ihn verliebt, aber er hat mir viele glückliche Momente beschert und mich gelehrt, wieder zu geben. Er war ein netter Mensch, und ich will nicht noch einmal hören, dass du von ihm als geilen Tat tergreis sprichst, verstanden?“
Rico seufzte. „Okay, aber das hättest du mir ja schon früher einmal sagen können.“
„Ich … ich bin nicht daran gewöhnt, mich anderen Menschen anzuvertrauen.“
„Ich bin doch nicht irgendjemand, sondern der Mann, der dich liebt und heiraten will. Und ich werde auch nicht mehr bis zum Monatsende warten. Bring dein verdammtes Goldfischglas her, dann regeln wir die notwendigen Formalitäten und heiraten so schnell wie möglich, basta!“
Nachdem Renée ihn zunächst nur ungläubig angesehen hatte, begann sie zu lächeln. „Wenn das so ist, Rico, kann ich wohl nicht anders, als Ja zu sagen.“
„Wurde auch Zeit, dass du Vernunft annimmst“, meinte Rico. „Und jetzt komm her und lass dich küssen!“
Sie gehorchte tatsächlich, und Rico nahm sie erleichtert in die Arme.
„Du …“, sagte sie dann leise, während sie den Kopf an seiner Schulter barg.
„Hm?“
„Ich muss dir auch etwas gestehen.“
Rico ergriff Panik. „Was denn?“
„Als ich dir erzählt habe, dass ich keine Kinder bekommen könnte, hast du sofort geschlussfolgert, ich
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