JULIA COLLECTION Band 10
leben auf einer einsamen Farm, da konnte ich es austragen, ohne dass jemand meine Schwangerschaft mitbekam. Ohnehin habe ich die meiste Zeit in meinem Zimmer verbracht und geschlafen. Und nach der Geburt konnte ich nicht schnell genug wieder wegkommen und ließ das Kind bei meinen Eltern.“ Traurig sah sie ihn an.
„Bestimmt denkst du jetzt schlecht von mir. Aber ich war nicht in der Lage, das Baby anzusehen, ohne daran zu denken, was John mir angetan hat. Als ich schließlich wieder in der Stadt lebte, war aus mir eine zynische, kaltblütige, ehrgeizige Zicke geworden, entschlossen, mir von diesem einen Kerl nichts kaputt machen zu lassen. Also nahm ich mir einen Liebhaber nach dem anderen. Ich wollte mir unbedingt beweisen, dass ich nicht frigide geworden war. Aber es funktionierte nicht. Also habe ich das mit den Männern irgendwann gelassen und mich nur noch meiner Karriere gewidmet.“
„Und wann hast du bedauert, dein Kind deiner Mutter überlassen zu haben?“
„Das geschah allmählich. Wenn ich nach Hause kam, habe ich gesehen, dass sich Becky zu einem liebenswerten Kind entwickelte. Sie war so offen und klug. Am Anfang habe ich mir Sorgen gemacht, dass sie sich so zu mir hingezogen fühlte. Aber irgendwann gefiel es mir. Wahrscheinlich habe ich sie auch zu sehr verwöhnt, besonders zu ihrem Geburtstag und zu Weihnachten habe ich ungeheuer viele und teure Geschenke mitgebracht – wohl um sie zu entschädigen, dass ich nicht immer für sie da sein konnte. Meine Mutter und mein Vater haben sie vergöttert, und ich habe mir eingeredet, ich hätte das Richtige getan. Für Becky sei es so am besten.“
Sie seufzte traurig. „Ich habe erst begriffen, was ich versäumt habe, als man bei ihr Leukämie feststellte. Ich werde niemals das Telefonat vergessen, bei dem es mir meine Mutter erzählt hat. Es war wie …“
Sie verstummte und schloss für einen Moment die Augen. Als sie die Lider wieder öffnete, warf sie Ali einen herzzerreißenden Blick zu. „Ich … ich kann es einfach nicht beschreiben. Wie auch immer, wir haben alles versucht, um Becky zu retten. Aber keine der Therapien schlug an. Sie hatte eine ganz seltene Form von Leukämie. Eine Chemotherapie brachte kurzzeitige Besserung, aber danach kam die Krankheit mit Macht zurück.“
Charmaine lag einen Moment nur da und ergab sich ihrem Schmerz. „Ich wäre fast verrückt geworden“, fuhr sie dann fort, „weil ich hilflos zusehen musste, wie es mit ihr immer weiter bergab ging. Meiner Mutter ging es da nicht anders. Aber wenigstens konnte sie sich damit trösten, dass mein kleines Mädchen sie ‚Mom‘ nannte. Als wir wussten, dass es mit Becky nun bald zu Ende gehen würde, wollte ich es ihr erzählen. Ich wollte sie im Arm wiegen und ihr sagen: ‚Ich bin deine Mummy, Darling, nicht deine Schwester.‘ Aber dann kam es mir grausam und selbstsüchtig vor. Also sagte ich nichts, und Becky starb in den Armen meiner Mutter, und ich … oh Ali …“ In ihre Augen traten Tränen. „Halt mich einfach ganz fest!“
Das tat er, und sie weinte sich so richtig aus. Dabei fasste Ali den Entschluss, alles zu tun, um für Charmaine – die Frau, die er liebte – die Welt wieder in Ordnung zu bringen.
13. KAPITEL
Nachdem Rico den Hörer aufgelegt hatte, wandte er sich an Renée. „Ali hat gerade unseren Kartenabend für heute abgesagt.“
Renée blinzelte erstaunt. „Du meine Güte! Wieso denn?“
„Du kennst doch Ali. Er hat es nicht wirklich erklärt. ‚Ein Notfall‘, meinte er nur.“
„Wahrscheinlich hat es mit einer Frau zu tun.“
„Deshalb sagt Ali doch keinen Kartenabend ab.“
„Vielleicht hat er endlich eine gefunden, die ihn seine große Liebe in Dubar vergessen lässt.“
„Hm, ob vielleicht …?“
„Was denn, Rico?“
„Weißt du noch, wie du erwähnt hast, du könntest Charmaine nicht erreichen? Das war vor zwei Wochen. Und als sie zurückkam, hielt sie sich über ihren Aufenthaltsort bedeckt.“
„Du glaubst doch nicht …?“
„Doch, das tue ich.“
„Nein!“
„Du kennst Ali nicht“, sagte Rico trocken.
„Und du nicht Charmaine. Ali ist überhaupt nicht ihr Typ. Er ist viel zu sehr ein Macho.“
„Wollen wir wetten?“
Renée lächelte. „Gern, du verlierst sowieso.“
„Ich wette, Ali taucht morgen mit Charmaine beim Pferderennen auf.“
„Worum wollen wir wetten?“
„Darum, wer die Namen der Babys bestimmen darf.“ Seit Tagen debattierten die beiden darüber, ob die Kinder nun
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