JULIA COLLECTION Band 10
dass Charles es nicht böse gemeint hatte. Auch er trank jetzt einen Schluck gut gekühlten Chardonnay und sah ziemlich gelassen aus. Dass sie sich bei seiner Bemerkung sofort in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hatte, bewies eins: Egal wie glücklich und sicher sie sich im Hinblick auf Charles’ Liebe fühlen mochte, insgeheim befürchtete sie immer noch, er würde eines Tages die Wahrheit über ihre Vergangenheit herausfinden. Wie sollte sie ihm auch erklären, dass sie früher ein ganz anderer Mensch gewesen war? Oder dass sie ihm völlig falsche Angaben über ihren familiären Hintergrund gemacht hatte?
Sie könnte es nicht. Ohnehin würde sie nichts damit erreichen, wenn sie ihm die Wahrheit sagte.
Wenigstens war Melbourne oder Tasmanien nicht gerade um die Ecke und Charles kein Mensch, der viel reiste, nicht einmal beruflich. Die Wahrscheinlichkeit, dass er jemanden aus ihrer Vergangenheit traf, war gleich null, und sie hatte sich wieder einmal ganz umsonst Sorgen gemacht.
Selbst wenn er irgendwann nach Melbourne reisen würde, wusste dort niemand etwas Genaues. Okay, es gab einige ehemalige Mitbewohnerinnen und Kolleginnen, in deren Beisein sie vielleicht einmal eine unbedachte Bemerkung hatte fallen lassen, aber Jonathon stellte keine Gefahr dar. Er würde bestimmt nicht abfällig von ihr reden. Schließlich trug er die Schuld am Ende ihrer Beziehung. Außerdem hatte sie Charles so ziemlich alles darüber erzählt.
Nun ja, sie hatte auch behauptet, Jonathon geliebt zu haben. Aber das musste sie ja wohl, wenn sie nicht als Flittchen dastehen wollte. Immerhin hatte sie sich damals enorm zu ihm hingezogen gefühlt, seinen Tatendrang und Ehrgeiz bewundert und sogar gern mit ihm geschlafen. Er war ja auch ein erfahrener Liebhaber gewesen, ganz anders als die Jungen, mit denen sie vor ihm ausgegangen war.
Wahnsinn, an diese Zeit hatte sie schon lange nicht mehr gedacht! Ob sie die drei wohl verletzt hatte? Hoffentlich nicht. Sie waren alle ganz süß und nicht nur ihre Liebhaber gewesen, sondern auch ihre Freunde. Und einen guten Freund brauchte schließlich jeder einmal. Freundinnen hatte sie nie gehabt. Andere Frauen fühlten sich meist durch ihr gutes Aussehen bedroht.
„Du isst ja gar nichts!“, unterbrach Charles sie da in ihren Gedanken. „Dabei ist es köstlich. Wenn ich wieder arbeiten gehe, werde ich abends bestimmt liebend gern zum Essen nach Hause kommen.“
„Wie bitte? Oh, das ist nett von dir.“ Dominique zwang sich, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Mit Charles hatte sie einen neuen Anfang gemacht. Sie liebte ihn, und sich über Dinge Sorgen zu machen, die sie ohnehin nicht ändern konnte, war doch bloß Zeitverschwendung. Von nun an sollten Charles und ihre gemeinsame Zukunft das Wichtigste sein. Zu diesem vernünftigen Schluss gekommen, erklärte sie lächelnd: „Freut mich, dass es dir schmeckt. Und der Wein?“
„Wunderbar, ab heute werde ich mich ganz auf deine außerordentlichen Kenntnisse in diesem Bereich verlassen.“
„Jetzt hör aber auf, Charles! Du hast doch viel mehr Ahnung von kulinarischen Dingen als ich. Im Vergleich dazu bin ich eine blutige Anfängerin. Aber das ist schon in Ordnung. Du kannst mir ja alles beibringen.“
„Gern.“ Eindeutig zweideutig lächelte er ihr zu, und Dominique bekam wieder ein ganz merkwürdiges Gefühl, das sich noch verstärkte, als sie dieses neue, verwegene Glitzern in seinen Augen sah. Schlagartig wurde ihr dabei bewusst, dass sie keinen BH trug, und ihre Knospen richteten sich auf und rieben an dem weichen Material der Fleecejacke.
In freudiger Erwartung dessen, was er wohl heute Abend noch von ihr wollte, verblasste die Erinnerung an seine Zärtlichkeiten von heute Nachmittag. Das war auch so etwas, das ihr Sorgen machte: wie Charles sich verändert hatte und wie bereit sie plötzlich war, allem gerecht zu werden, was ihm so einfiel.
Der Sex mit ihm war immer schon etwas ganz Besonderes gewesen. Mit einem einzigen Kuss konnte er sie zum Dahinschmelzen bringen. Charles war bei Weitem der beste Liebhaber, den sie je gehabt hatte, aber mit seiner neuen ausschweifenden Art wirkte er sowohl auf ihren Körper als auch auf ihren Geist. Sobald er sie so ansah wie jetzt, konnte sie sich nur noch mit Mühe auf etwas anderes konzentrieren. Dabei stellte sich ihr nur eine Frage: Was würde er wohl nach dem Essen mit ihr machen?
Wenn sie es überhaupt so lange aushielten.
Plötzlich
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