JULIA COLLECTION Band 12
überlegte Abigail, was er tun würde, wenn sie ihn beim Wort nahm. Dann entschied sie, dass sie das lieber nicht rausfinden wollte. Zumindest im Moment nicht. „Ich suche vorübergehend einen Verwalter für die Ranch“, erklärte sie. „Während der letzten paar Jahre war mein Onkel nicht in der Lage, sich um alles zu kümmern, und man sieht es dem Besitz an. Sowohl um die Zäune als auch um die Tiere muss sich jemand kümmern. Ich brauche jemanden, der bereit ist, hart zu arbeiten. Hoss hat dafür gesorgt, dass niemand aus der Gegend sich bei mir bewirbt. Und ich sollte Sie warnen. Falls Sie Angst vor Hoss haben, ist dies kein Job für Sie.“
„Ich fürchte mich nicht vor ihm.“ Aber vor Ihnen, hätte Dylan fast hinzugefügt. Diese blonde Bibliothekarin mochte ja Petes Nichte sein, aber sie sah aus, als wäre sie in der Großstadt aufgewachsen und ziemlich schwierig. Zwar trug sie keine Designerjeans, und auch ihr Hemd war nichts Besonderes, aber sie hatte so etwas an sich … Trotzdem hatte sie sehr geschickt ihr Pferd untersucht. Sie war ganz schön widersprüchlich. Und dazu duftete sie noch nach Maiglöckchen. Verdammt.
Er erinnerte sich daran, dass ihre Probleme ihn nichts angingen. Es wäre vernünftig gewesen, sofort wieder auf sein Pferd zu steigen und zu verschwinden. Aber seine Cowboyehre verlangte etwas anderes, ebenso wie er Abigail deswegen hatte zu Hilfe kommen müssen, als er gesehen hatte, wie sie über die Wiese raste. Dylan war kein Mann, der sich absichtlich Probleme suchte, aber irgendwie schien er trotzdem dauernd welche zu finden, trotz der Tatsache, dass er nie lange an einem Ort blieb.
Das Nomadenleben entsprach ihm sehr. Er hatte nicht die Absicht, sich in nächster Zeit irgendwo häuslich niederzulassen. Sein älterer Bruder hatte inzwischen geheiratet, und seine Schwester war durchgebrannt, aber Dylan selbst war noch nicht bereit zu so etwas. Noch lange nicht.
Andererseits konnte er keiner Herausforderung widerstehen, ob es sich nun um ein Pferd handelte, das angeblich niemand reiten konnte, oder eine Frau, die so störrisch wie ein Maultier war. Beides brachte sein Blut zum Kochen.
Wild Thing schnaubte und stampfte ungeduldig mit den Hufen auf, als wollte sie erklären, dass es ihr nicht gefiel, ignoriert zu werden.
„Ich denke, ich nehme Ihr Angebot an, uns mitzunehmen“, entschied Abigail. „Wenn wir zum Ranchhaus kommen, können wir uns weiter über den Job unterhalten.“
Sobald die Pferde sicher in dem Anhänger untergebracht waren und Abigail auf dem Vordersitz des Lieferwagens saß, hatte sie den Eindruck, dass sie gerade ihrem Leben eine neue Richtung gegeben hatte. Das einzige Problem bestand darin, dass sie nicht sicher war, ob es sich um die richtige Richtung handelte.
Dylan würde nicht lange bleiben. Cowboys taten das selten. Aber vielleicht würde er es auf der Ranch immerhin so lange aushalten, bis sie jemand anderen für die Stelle fand. Jemand Älteren, der möglichst verheiratet war. Jemanden, der sesshaft war.
Leider widersprachen sich die Wörter „Cowboy“ und „sesshaft“ in der Regel. Abigail hatte jedenfalls diese Erfahrung gemacht. Ihre dritte und letzte Beziehung mit einem Cowboy war vor zwei Monaten zu Ende gegangen. Er war nach Arizona weitergezogen und hatte sie mit einem gebrochenen Herzen zurückgelassen. Abbie gab gerne zu, dass es eine Ironie des Schicksals war, dass sie zwar erfolgreiche Liebesromane mit Happyend schreiben, selbst aber kein solches finden konnte. Im Moment bereitete es ihr allerdings mehr Sorgen, wer sie und ihr Pferd in Lebensgefahr gebracht hatte.
„Was, zur Hölle, ist das?“ Dylan starrte ungläubig auf das seltsame Ding, das neben der Straße stand, die zum Ranchhaus führte. Das kompakte Gebäude sah aus, als wäre es direkt aus der Erde gewachsen, und soweit Dylan das erkennen konnte, hatte es sogar Gras auf dem Dach. Er wusste ja, dass Pete in seinen letzten Jahren etwas exzentrisch geworden war, aber so etwas Bizarres hätte er trotzdem bestimmt nicht gebaut.
„Das ist Ziggys Haus“, erklärte Abigail, als Dylan seinen Wagen zum Stehen brachte.
„Wer ist Ziggy?“
„Ein Freund von mir.“
„Und Sie haben zugelassen, dass er diese Monstrosität auf Ihrem Land errichtet?“
„Ziggy ist ein Künstler.“
Plötzlich dröhnte eine Kettensäge los, und ein Vogel flüchtete laut schimpfend aus einem Baum.
Die Pferde trampelten nervös in dem Anhänger herum, weil der Krach sie irritierte.
„Sagen
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