JULIA COLLECTION Band 12
Sie reichte Dylan die Schüssel.
Außerdem war sie auch gar nicht glücklich über das sinnliche Gefühl, das sie überkam, wenn sie einfach bloß Dylans Finger streifte wie jetzt, als er ihr die Schüssel abnahm. Aber sie war eine erwachsene Frau und würde nicht zulassen, dass so etwas wie sexuelle Anziehungskraft Macht über sie erlangte. Sie hatte alles unter Kontrolle.
Von Hondo konnte man das nicht behaupten. Er mühte sich gerade damit ab, den letzten Rest aus dem gelben Plastikcontainer mit dem Senf herauszuquetschen. Plötzlich spritzte der Senf heraus, aber leider gleich so viel, dass sowohl die Tischdecke als auch der arme Shem, der Hondo gegenübersaß, eine Menge abbekamen.
Shem wirkte verblüfft, aß aber einfach weiter, so als würde ihm kein Senf an Stirn und Nase kleben.
Zum zweiten Mal an diesem Tag verlor Abigail die Kontrolle. Sie lachte so sehr, dass ihr Tränen in die Augen stiegen und Dylan ihr auf den Rücken klopfen musste. Doch selbst das half nichts.
Dylan gelang es irgendwie, ernst zu bleiben. „Ich bringe sie nach draußen, damit sie frische Luft bekommt.“
Als sie im Freien an der kalten Luft waren, wurde Abigail rasch wieder vernünftig. Obwohl es schon kurz vor sieben war, stand die Sonne noch ziemlich hoch am Himmel. Jetzt im Juli waren die Tage immer noch lang und schön. Abigail dachte, dass das der Ausgleich der Natur für die eiskalten Winter war.
In dieser Jahreszeit spürte sie jedes Mal ein Gefühl von Frieden und Hoffnung. Aber das war gewesen, bevor Dylan in ihr Leben geritten war. Jetzt war sie eher ruhelos.
„Als Sie mir heute mit Wild Thing geholfen haben, haben Sie etwas über eine Zigeunerlegende gesagt“, begann sie.
„Sie meinen, als ich Ihnen das Leben gerettet habe?“, fragte Dylan.
„War das nur ein Spruch?“, wollte sie wissen.
„Dass ich Ihnen das Leben gerettet habe?“
„Nein, dass Sie Zigeunerblut haben.“
Er verzog das Gesicht. „Spielt das eine Rolle?“
Sie hatte den Eindruck, dass er in Verteidigungshaltung gegangen war. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht neugierig sein …“
„Doch, sicher.“
„Okay.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin Schriftstellerin und interessiere mich für Menschen und ihre Abstammung. Oder haben Leute, die immer auf der Wanderschaft sind wie Sie, keine Wurzeln?“
„Ich habe schon welche. In Chicago bei meiner Familie.“
„Sie stammen aus Chicago?“
Dylan grinste über die Art, wie sie den Namen aussprach. Die meisten Leute aus dem Westen zeigten nur Verachtung für jede Stadt östlich von Denver. „Ich bin schon lange von zu Hause weg. Mein Dad meint, es läge an meinem Roma-Blut, dass ich immer unterwegs bin. Meine Eltern sind in den frühen sechziger Jahren aus Ungarn eingewandert. Mein Dad ist ein Roma, meine Mutter nicht.“
„Sind Sie ein Einzelkind?“
„Nein, ich habe einen älteren Bruder und eine ältere Schwester, Michael und Gaylynn.“
„Dann sind Sie der Jüngste. Das passt“, murmelte Abigail.
„Was passt wozu?“
„Das jüngste Kind in einer Familie wird oft durch zu viel Aufmerksamkeit verwöhnt.“
„Haben Sie das in einem Buch gelesen? Oder sprechen Sie aus persönlicher Erfahrung?“
„Ich bin ein Einzelkind.“
„Das bedeutet, dass Sie garantiert verwöhnt wurden.“
„Wie kommen Sie denn darauf?“
„Vielleicht durch Ihre hochnäsige Art.“
„Ich bin doch nicht hochnäsig!“, protestierte sie.
„Es ist ja eine hübsche Nase, aber Sie tragen Sie etwas hoch.“
„Wenn das ein Versuch sein soll, sich bei mir einzuschmeicheln …“
„Wieso sollte ich das wollen?“
„Das scheint mir irgendwie dazuzugehören“, meinte sie düster.
„Wozu?“
„Zu Cowboys.“
„Und über die wissen Sie alles?“
„Ich könnte ein Buch über sie schreiben. Tatsächlich habe ich das auch mehrere Male getan. Glauben Sie mir, ich weiß tatsächlich Bescheid über Cowboys, denen es unter den Füßen brennt.“
„Meine Füße sind ganz in Ordnung im Moment“, versicherte Dylan ihr lässig. „Weiter oben spüre ich etwas.“
„Ich habe keinerlei Interesse daran, über irgendwelche Körperteile von Ihnen zu diskutieren“, erwiderte Abigail scharf.
„Sie sehen sie also lieber nur an.“
„Das stimmt. Ich meine, natürlich nicht!“
„Also möchten Sie doch darüber reden?“
„Ich würde das ganze Thema lieber fallenlassen.“
„Ich auch. Aber das ist schwer, wenn man diesen heftigen Schmerz …“
„Davon will ich nichts
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