JULIA COLLECTION Band 12
Sie würde kämpfen.
Nun riss sie sich zusammen, küsste das Kind auf die Wange und kehrte dann ins Wohnzimmer zurück.
„Wo ist sie jetzt?“
„Keisha hat sie unten in Ihrem alten Apartment mit Handschellen an die Heizung gefesselt“, berichtete Frieda.
„Ich musste ihr eine Socke in den Mund stopfen, damit sie ruhig ist“, fügte Keisha hinzu.
„Wie lange ist das her?“
„Nur ein paar Minuten. Wir wollten gerade die Polizei anrufen, als Sie gekommen sind.“
„Wir brauchen die Polizei nicht“, erklärte Brenda. „Ich kenne die Frau. Es tut mir leid, dass sie einen solchen Aufstand verursacht hat, und ich weiß es wirklich zu schätzen, wie Sie alle Hope beschützt haben.“
„Das war doch selbstverständlich“, erwiderte Frieda.
„Ich sollte besser runtergehen und mit der Frau reden“, meinte Brenda.
„Wer ist sie?“
Brenda wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Wenn sie die Wahrheit sagte, riefen ihre Nachbarn womöglich die Polizei. Und dass Hopes richtige Mutter gefesselt und geknebelt im Keller saß, würde nicht gut aussehen.
„Sie ist jemand, den ich kenne“, sagte Brenda schließlich.
„Wenn Sie mich fragen, hat diese Frau psychische Probleme“, erklärte Frieda. „Ihre Augen stehen zu dicht beieinander. Das ist nie ein gutes Zeichen.“
„Komm, ich gehe mit dir runter.“ Keisha legte einen Arm um Brenda. „Ich dachte mir, dass du die Polizei nicht einschalten willst“, flüsterte sie, sobald sie weit genug von den anderen weg waren. „Ich habe die Frau gehört, als sie gestern hier war. Als ich gerade mit meiner Wäsche aus dem Keller kam, stand sie vor eurer Tür und sagte, sie wäre Hopes Mutter. Vielleicht war es nicht besonders klug, sie an die Heizung zu fesseln, aber ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Schließlich konnte ich sie nicht mit dem Baby weggehen lassen. Sie sieht nicht aus wie der mütterliche Typ, falls du verstehst, was ich meine.“
Brenda nickte. „Ich bin dir wirklich dankbar, Keisha.“
„Jetzt werd nicht sentimental. Zuerst müssen wir uns mit der Frau da unten befassen.“
Brendas altes Apartment wirkte kalt und leer, aber Denise Pettys Blick war hitzig und hasserfüllt. Als Brenda die Socke aus ihrem Mund nahm, stieß sie so wilde Flüche aus, dass Keisha drohte, sie wieder zu knebeln.
„Das wird Ihnen noch leidtun“, giftete Denise und versuchte Keisha zu schlagen, die aber klugerweise außer Reichweite blieb.
Brenda versuchte sich als Friedensstifterin. „Beruhigen Sie sich, Denise. Ich weiß, dass Sie im Moment aufgeregt sind, aber sicher können wir alles klären.“
„In was für einer Welt leben Sie eigentlich?“, erwiderte Denise.
Aber Brenda wusste genau, was sie tat. Sie hatte schon früher mit Unruhestiftern wie Denise zu tun gehabt. „Ich weiß, dass Sie eigentlich niemandem Angst einjagen wollten.“
Denise, die glaubte, Brenda wäre auf ihrer Seite, warf Keisha einen triumphierenden Blick zu. Dann senkte sie den Kopf. „Das stimmt. Ich bin nur hergekommen, um meine Tochter zu sehen.“
„Wo wollten Sie sie hinbringen?“
„In die Wohnung einer Freundin. Ich wollte ihr nichts tun. Ich hatte auch vor, sie zurückzubringen, wenn …“
„Ja?“, drängte Brenda. „Sprechen Sie weiter, Denise. Ich weiß, dass Sie klug sind. Sie müssen einen Plan gehabt haben.“
„Falls ich mich nicht selbst um sie kümmern könnte.“
„Sie machen das gut“, meinte Brenda. „Ich hätte es Ihnen fast abgenommen, wenn da nicht dieser Ausdruck in Ihren Augen wäre. Ich weiß, dass die Kinder im Jugendzentrum mich für naiv halten, aber glauben Sie mir, Denise, ich bin es nicht. Ich weiß, dass Sie lügen. Also warum sagen Sie jetzt nicht einfach die Wahrheit, dann sparen wir beide Zeit.“
„Ich sage die Wahrheit. Sie ist meine Tochter. Es ist ja nicht so, als hätte ich sie kidnappen wollen. Sie gehört mir, und wenn ich etwas Geld rausschlagen will, ist das meine Sache.“
„Sie wollen sie wegen Geld entführen?“
„Sie ist meine Tochter. Ich hätte sie zurückgebracht … zum richtigen Preis.“
Brendas Gesicht wurde hart. „Wie viel?“
„Zwanzigtausend.“
„Ja, Sie sehen ganz so aus wie ein Miststück, das sein eigenes Baby verkauft“, erklärte Keisha angewidert. „Und Sie behaupten, Sie wären eine richtige Mutter?“
„Das sagt sie“, ertönte nun Michaels Stimme von der Tür her. „Aber sie ist nicht Hopes Mutter.“
11. KAPITEL
Brenda starrte ihren Mann verblüfft an.
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