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JULIA COLLECTION Band 12

JULIA COLLECTION Band 12

Titel: JULIA COLLECTION Band 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CATHIE LINZ
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Trotzdem war sie nie leichtsinnig gewesen. Sie hatte die Gefahren gekannt und Probleme vermieden. Bis zu diesem Tag …
    Sie war länger in der Schule geblieben. Allein. Als sie aus ihrem Klassenzimmer getreten war, hatte sie an die bevorstehende Talentshow gedacht. Plötzlich hatte jemand von hinten nach ihr gegriffen und ihr ein Messer an die Kehle gehalten. Sie hatte keine Chance gehabt zu schreien. Keine Chance, sich zu schützen. Sie hatte sich hilflos gefühlt, und so etwas hatte sie nie zuvor erlebt. Bis dahin war sie immer die Furchtlose in ihrer Familie gewesen.
    Ihr Angreifer war nicht viel größer gewesen als sie, aber unglaublich stark … zweifellos durch die Drogen, die er genommen hatte. Die machten ihn auch gefährlich unberechenbar. Sie verwandelten einen vierzehnjährigen Jungen in einen tödlichen Fremden.
    Er hatte Geld gewollt, und Gaylynn hatte ihm das wenige gegeben, das sie hatte. Ihre Hände hatten gezittert, ebenso wie die lange, glänzende Klinge, mit der er leicht ihre Haut ritzte. Gaylynn hob nun eine Hand an ihre Kehle und berührte die winzige Narbe.
    Es war so schnell vorbei gewesen, wie es begonnen hatte. Er hatte sie gegen die Metallschränke im Flur geschubst und war geflüchtet. Aber für einen kurzen Moment hatte sie sein Gesicht gesehen. Es war Duane Washington. Fünf Jahre zuvor war er einer ihrer vielversprechendsten Schüler gewesen. Sie hatte große Hoffnungen für ihn gehabt. Damit war es jetzt vorbei.
    Vierundzwanzig Stunden nach dem Überfall hatte Gaylynn die Fernsehnachrichten eingeschaltet und eine große Blutlache auf einer Straße gesehen. „Der Verdächtige, Duane Washington, wurde von der Polizei gesucht“, berichtete der Sprecher. „Er flüchtete, um einer Festnahme zu entgehen, und lief dabei genau vor einen Bus. Zeugen sagen, er wäre sofort tot gewesen.“ Eine weitere Nahaufnahme hatte gezeigt, wie ein zugedeckter Körper weggetragen wurde. Duanes Körper.
    Diese Bilder verfolgten Gaylynn noch immer in ihren Träumen. Das Messer. Die Blutlache. Duanes Leiche.
    Obwohl es jetzt fast einen Monat her war, hatte Gaylynn nicht den Eindruck, dass sie sich in der erwünschten Weise erholte. Noch immer wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt … vor allem Schuld und Angst. Vielleicht war es falsch gewesen, dass sie die Polizei angerufen und Duane als ihren Angreifer identifiziert hatte. Wenn sie das nicht getan hätte, dann wäre er nicht geflohen und auch nicht vor diesen Bus gelaufen.
    Und wenn sie eine bessere Lehrerin gewesen wäre, dann hätte sie vielleicht viel früher erkannt, dass Duane in Schwierigkeiten geraten würde, und sie hätte die Entwicklung stoppen können.
    Doch die Vergangenheit konnte man nicht ändern. Es lief darauf hinaus, dass Gaylynn, die mutig allein um die ganze Welt gereist war, sich nun nachts im Bett fürchtete, die Augen zu schließen. Angst lähmte sie. Die Angst, das Falsche getan zu haben und teilweise für Duanes Tod verantwortlich zu sein, die Angst, sich nicht selbst schützen zu können und womöglich wieder überfallen zu werden.
    Die Psychotherapeutin, zu der sie gegangen war, hatte ihr gesagt, dass sie unter posttraumatischem Stress litt. Gaylynn hatte damit gerechnet, dass der vorbeigehen würde, ebenso wie eine Grippe. Aber die Symptome waren immer noch da. Da sie unfähig gewesen war, weiter zu unterrichten, hatte sie Urlaub genommen … so lange, bis sie wieder „sie selbst“ war, wie ihre Vorgesetzte es ausgedrückt hatte.
    Wann immer sie über die Geschehnisse nachdachte, fing sie an zu zittern. So auch jetzt. Dabei wäre ihr fast der Karton vom Schoß gefallen. Sie griff danach und presste ihn an sich.
    „Du bist in Sicherheit“, versuchte sie sich zu beruhigen, wie sie das an jedem Tag seit dem Überfall getan hatte. Aber bisher hatte sie nicht gelernt, es auch zu glauben.
    Sie atmete ein paarmal tief ein, schob die düsteren Gedanken beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf das Öffnen des Kartons, um endlich zu sehen, was ihr Bruder für sie eingepackt hatte. Es waren ein kunstvoll graviertes Metallkästchen und ein handgeschriebener Brief.
    Ältester Sohn von Janos,
es ist Zeit, dass Du das Geheimnis unserer Familie und bahtali kennenlernst. Das ist ein guter Zauber, doch sehr mächtig. Ich schicke Dir diesen Kasten, habe aber nicht die Zeit und die Sprachkenntnisse, Dir die Legende zu erzäh len. Du musst mit Deinen Eltern sprechen. Aber wisse, dass dieser Kasten einen mächtigen Roma-Zauber

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