JULIA COLLECTION Band 12
gegessen, sondern ihre Spaghetti bloß auf dem Teller herumgeschoben. Glaubte sie, er würde das nicht merken? Meinte sie, er würde ihr diese künstliche Fröhlichkeit abkaufen? Falls das so war, hatte sie eine Menge zu lernen.
„Du hast mir gar nicht erzählt, wieso du hergekommen bist“, begann er.
„Doch, ich habe dir gesagt, dass ich Urlaub nötig hatte.“
„Und ihr habt zurzeit Schulferien?“
„Nicht direkt.“
„Was dann?“
„Du bist ziemlich neugierig, was?“
„Hey, du solltest wissen, dass ich meine Verhörtechniken perfektioniert habe. Du kannst mir ebenso gut gleich all deine Geheimnisse erzählen.“ Er grinste, während er ihr half, das schmutzige Geschirr aufzustapeln. „Früher oder später bekomme ich sie doch aus dir heraus.“
„Oh, nein, Officer Davis“, spottete sie und legte eine Hand auf ihr Herz. „Nicht die gefürchtete Kitzelmethode!“ Hunter mochte das Forellenkitzeln nicht gelernt haben, aber bei ihr hatte er es damals ausgezeichnet gekonnt. „Alles, nur nicht das!“
„Also bist du bereit, ein Geständnis abzulegen?“
„Du hast mich erwischt.“ Sie seufzte dramatisch. „Ich bin ein entflohener Verbrecher. Die Polizei von Chicago sucht mich wegen zwei überfälliger Strafzettel. Ich ergebe mich.“ Sie streckte ihm beide Hände entgegen. „Leg mir Handschellen an, und bring mich ins Gefängnis.“
„Führ mich nicht in Versuchung“, murmelte er. Plötzlich stellte er sich vor, wie sexy sie aussehen würde mit Handschellen und sonst nichts. Was war nur los mit ihm? Sie war Michaels kleine Schwester, um Himmels willen!
„Dann hör auf, so eine große Sache draus zu machen“, erwiderte Gaylynn verzweifelt. „Ich hatte Urlaub nötig, also habe ich welchen genommen. Das ist alles.“
„Wie lange bleibst du?“
„Ich bin nicht sicher.“
„Wann ist dein Urlaub vorbei? Warte mal, könnt ihr Lehrer denn überhaupt mitten im Schuljahr welchen kriegen?“
„Bravo, Sherlock.“
„Das bedeutet, du hast eine Art Sonderurlaub, oder?“
„Richtig.“
„Bist du krankgeschrieben?“
Seine Hartnäckigkeit irritierte sie. „Das geht dich nichts an.“ Sie brachte das Geschirr zur Spüle.
Hunter folgte ihr in den offenen Küchenbereich. „Das heißt, ich habe recht.“
„Nein, es heißt einfach, dass es dich nichts angeht. Schau, ich unterrichte seit sieben Jahren und hatte eine Menge Stress. Es ist kein Wunder, dass ich ausgebrannt bin.“
„Jemand wie du brennt nicht aus.“
„Was soll das bedeuten: jemand wie ich?“, wollte sie wissen.
„Du bist zu entschlossen und zu verdammt stur, um aufzugeben.“
„Wieso glaubst du, dass du etwas über mich weißt? Du hast mich seit zehn Jahren nicht gesehen.“
„Ich habe mich über dich auf dem Laufenden gehalten. Michael hat immer damit angegeben, dass du darauf bestanden hast, dort zu unterrichten, wo du am meisten gebraucht wirst und etwas erreichen kannst, obwohl er und der Rest der Familie nicht wollten, dass du in so einem schlechten Stadtteil arbeitest.“
Er griff an ihr vorbei, um einen Teller in die Spüle zu stellen. Sie spürte seine Körperwärme an ihrem Rücken. Sein Arm streifte ihre Brust, und sie zuckte zurück, als wäre sie vom Blitz getroffen worden.
„Was ist los?“ Hunter war verblüfft über ihre Reaktion. „Wieso flüchtest du vor mir?“ Dann fiel ihm eine mögliche Erklärung ein, und sein Ausdruck wurde ernst. „Du meine Güte! Bist du sexuell belästigt worden?“
3. KAPITEL
„Mach dich nicht lächerlich. Ich bin nicht sexuell belästigt worden. Dass ich ein bisschen nervös bin, bedeutet nicht, dass mir etwas Derartiges passiert ist!“, protestierte Gaylynn.
„Und selbst wenn, würdest du es mir nicht erzählen, oder?“, erwiderte Hunter.
„Wenn du das glaubst, warum fragst du mich dann überhaupt?“
„Weil ich versuche herauszufinden, wie ich dir helfen kann.“
Sie hob das Kinn. „Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich bin keiner dieser verletzten Jungvögel, die du immer aufgenommen hast, als wir Kinder waren.“
„Ich bin heute noch ziemlich gut darin, gebrochene Flügel zu schienen“, murmelte er und kam so nah an sie heran, dass sie seinen Atem spürte. Eine alte Sehnsucht erwachte neu in ihr.
Hunter konnte viele Dinge ziemlich gut. Zum Beispiel sorgte er dafür, dass Gaylynn sich wie ein junges Mädchen bei der ersten Verabredung fühlte … voller Vorfreude auf das, was womöglich folgen würde.
Sie erinnerte sich daran, dass sie kein
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